Der sterbende Detektiv - Roman
eingemischt. Wenn es mal kritisch wurde, als ich noch ein Kind war, aber sonst nie.«
»Das brauchen Sie mir nicht zu erzählen«, sagte Matilda. »Das merkt man Ihnen an. Sie hatten eine Mutter, die alles für Sie getan hat, ohne dass deswegen ein Muttersöhnchen aus Ihnen geworden wäre. Ein anderes Beispiel. Ihr bester Freund. Der hat auch nie um etwas bitten müssen. Sein Problem war wohl eher, Zeit für alle Frauen zu finden, die ihn begehrten.«
»Schon möglich«, meinte Johansson. »Aber so was wie bei Yasmine, das ist Ihnen nie zugestoßen?«
»Exhibitionisten«, meinte Matilda und zuckte mit den Achseln. »Davon gibt es ja unzählige. Typen, die sich in der U-Bahn an einen drücken, wenn es eng ist. Leute, die sich an der Bushaltestelle in der Nase bohren, während sie sich einen runterholen. Das erste Mal war ich noch in der Kita. Da war ich fünf. Ein Riesenaufstand. Die Kindergärtnerinnen, die Eltern, die Bullen. Alle. Es nahm nie ein Ende. Meine Freundin und ich fanden das wahnsinnig bedrohlich und wahnsinnig aufregend.«
»Aha«, meinte Johansson. Was zum Teufel soll man sagen?, dachte er.
»Das mit Yasmine«, meinte Matilda. »Und das hier muss wirklich unter uns bleiben …«
»Alles bleibt unter uns«, meinte Johansson. »Diese Bemerkung erübrigt sich also.«
»Gut«, sagte Matilda. »Ich glaube Ihnen. Meine Mutter war ja immer ein bisschen plemplem, ständig neue Männer und so. Meine Familie bestand in meiner Kindheit aus meiner Mutter, meiner drei Jahre älteren Schwester, mir, sowie aus all diesen Typen, die ständig bei uns ein- und auszogen.«
»Das kann nicht leicht gewesen sein«, meinte Johansson. Kein Wunder, dass sie so aussieht, dachte er.
»Geht so«, meinte Matilda und zuckte mit den Achseln. »Einige von denen waren ganz okay, und Mama ging es gut. Sie war ständig bis über beide Ohren verliebt. Wenn es zu Ende war, war sie superdeprimiert, und dann war der nächste Typ an der Reihe. Nur einmal ist sie richtig ausgerastet, und das war, als einer von ihnen was mit meiner Schwester angefangen hat.
Ich war etwa zehn, meine Schwester war dreizehn. Es war im Sommer. Wir hatten Sommerferien, Mama arbeitete als PH, ihr neuer Typ war arbeitslos und wohnte bei uns.«
»PH? Was ist das?«, fragte Johansson.
»Pflegehelferin«, meinte Matilda. »Viel Schichtdienst und so. Jedenfalls fing der Typ in diesem Sommer mit meiner Schwester was an. Sie war dreizehn, und er war etwa dreißig. Meine Schwester und ich hatten ein gemeinsames Zimmer. Ich musste also so tun, als würde ich schlafen.«
»Sie war also dreizehn«, sagte Johansson. Missbrauch einer Minderjährigen, dachte er. Was das auch immer mit der Sache zu tun hatte?
»Ja, sie war aber schon recht gut entwickelt. Sie hatte einen Riesenbusen, obwohl sie erst dreizehn war. Kaum zu glauben, wenn man mich so anschaut, aber sie hatte jedenfalls diesen Riesenbusen. Außerdem war sie bis über beide Ohren in diesen Typen von Mama verliebt. Meine Schwester hätte mich umgebracht. Er hat mir mal die Decke weggezogen und mich angeschaut, aber mehr war nicht. Sagte, ich müsste erst
noch etwas wachsen. Ich glaube, er war im Grunde genommen recht nett. Nie gewalttätig oder so. Hat ziemlich gesoffen und gelegentlich Dope geraucht, aber gewalttätig wurde er nie.«
»Und was ist dann passiert?«, fragte Johansson. Wie es Pia wohl in der Bank geht?, dachte er.
»Mama hat sie auf frischer Tat ertappt. Ich meine wirklich, in flagranti. Sie rastete vollkommen aus, schmiss den Typen raus, schmiss seine Sachen vom Balkon, war wahnsinnig wütend auf meine Schwester und auch auf mich, weil ich nichts gesagt hatte.«
»Hat sie ihn angezeigt?«, fragte Johansson.
»Nein«, sagte Matilda und schüttelte den Kopf. »Sie buchte so eine Last-minute-Pauschalreise, und wir fuhren nach Griechenland. Meine Schwester lernte einen neuen Typen kennen. Sie und Mama vertrugen sich wieder. Dauerte nur eine Woche. Sie sind sich recht ähnlich, zumindest was die Typen angeht.«
»Und was haben Sie gemacht?«, fragte Johansson. »Ich meine in diesem Sommer in Griechenland.«
»Ich erinnere mich nicht«, sagte Matilda. »Nichts mit irgendwelchen Typen angefangen jedenfalls. Ich war ja noch zu klein. Ich war wohl die meiste Zeit im Pool bei den anderen Kindern.«
»Kommt so was häufig vor? Ich meine bei jungen Menschen Ihrer Generation?«
»Aber hallo, Chef! Aufwachen! Kinder im Vorort, geboren in den 80ern, von wegen glückliche Kernfamilie. Als ich in
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