Der sterbende Detektiv - Roman
rausgeschmissen hatte, nahm er Kontakt auf. Aber es funktionierte nie. Er versprach immer alles Mögliche, und dann wurde nichts daraus. Nur eine Menge Enttäuschungen und Tränen und zwei traurige kleine Mädchen. Als sie älter wurden, versuchten sie dann, den Kontakt zu ihm aufrechtzuerhalten. Auch das funktionierte nicht. Ich glaube nicht, dass die beiden ihn in den letzten zehn Jahren getroffen haben. Tommy war ein Kind. Ein Kind, das trank. Er wurde nie erwachsen.«
»Und wann haben Sie ihn zuletzt gesehen?«
»Ich habe ihn ein einziges Mal getroffen, seit ich ihn ’83 verlassen habe. Das war einige Jahre später. Er tauchte an meinem Arbeitsplatz auf, im Sankt Göran. Er brauchte Geld. Ich lieh ihm welches. Ein paar hundert Kronen. Ich habe sie natürlich nie wiedergesehen.«
»Und im Übrigen?«, meinte Johansson. »Über den Anwalt? Das Jugendamt? Irgendwelche Kontakte muss es doch gegeben haben?«
»Vielleicht ein halbes Dutzend in all den Jahren. Alleine bin ich ihm nur das eine Mal begegnet. Als er an meinem Arbeitsplatz auftauchte und Geld leihen wollte. Und ich war noch so dumm, ihm welches zu geben.«
»Aha«, sagte Johansson. Welch ein Drecksack, dachte er.
»Ich verstehe, worauf Sie hinauswollen«, sagte Erika Brännström. »Aber wenn Sie glauben, dass Tommy etwas mit Yasmines Tod zu tun hat, dann liegen Sie vollkommen falsch. Tommy hätte so etwas nie getan. Tommy interessierte sich für erwachsene Frauen, und diese interessierten sich viel zu sehr für ihn. Kleine Mädchen sollten hübsch sein und fröhlich und keinen Ärger machen. Er nahm sich nicht mal die Zeit, ihnen abends eine Geschichte vorzulesen.«
»Ich glaube Ihnen«, sagte Johansson. »Etwas ganz anderes. Im Juni ’85, als Yasmine ermordet wurde, was taten Sie da?«
»Da hatte ich endlich einmal Zeit, richtig Ferien zu machen. Zum ersten Mal seit etlichen Jahren. Margaretha wollte mit einer Freundin in ihr Sommerhaus fahren. Als dann die großen Ferien anbrachen, fuhr ich mit den Mädchen zu meinen Eltern. Wir waren den ganzen Sommer dort. Wir kamen erst Mitte August zurück, vor Schulanfang. Meine Jüngste, Jessica, kam in diesem Herbst in die erste Klasse.«
»Und meine Kollegen haben sich nie bei Ihnen gemeldet, um mit Ihnen zu sprechen?«
»Nein. Warum hätten sie das auch tun sollen? Ich weiß, dass sie mit Margaretha gesprochen hatten, denn das erzählte sie mir. Aber warum hätten sie mit mir sprechen sollen?«
»Ja, warum?«, meinte Johansson. »Yasmine«, sagte er dann, »was können Sie mir über sie erzählen?«
Yasmine war im Frühjahr, nachdem Erika Brännström ihre Arbeit bei Margaretha Sagerlied angetreten hatte, in das Haus am Ende der Straße eingezogen. Zusammen mit ihrem Vater und seiner neuen Frau. Recht bald war sie im Haus von Erikas Arbeitgeberin ein und aus gegangen.
»Sie war ein hübsches Kind, wahnsinnig hübsch, munter, charmant, fröhlich. Auch recht verwöhnt. Zwischen ihr und Margaretha war es Liebe auf den ersten Blick. Gegen ihren Vater war wohl auch nichts einzuwenden, um es einmal so auszudrücken.«
»Und wie war der?«
»Groß, stark, durchtrainiert. Dunkelhaarig. Sehr gut aussehend. Darüber hinaus auch noch Arzt. Margaretha hatte eine große Schwäche für ihn. Hat ihn und seine neue Lebensgefährtin hin und wieder zu Partys eingeladen. Sie war ebenfalls Ärztin. Zum ersten Mal habe ich Yasmines Vater und seine neue Lebensgefährtin auf einem Fest bei Margaretha zusammen gesehen. Ich weiß noch, dass ich mir damals gedacht habe, mal sehen, wie lange das hält.«
»Das haben Sie also gedacht?«
»Er war wie ein Magnet. Alle Frauen, ganz egal, wie alt sie waren, mussten sich unbedingt mit ihm unterhalten.«
»Und dass er Einwanderer aus dem Iran war, das spielte keine Rolle?«
»Nein, Margaretha war nicht ausländerfeindlich. Ganz im Gegenteil. Ihre Freunde auch nicht. Yasmines Vater sah aus wie eine größere, jüngere und hübschere Version des Schahs von Persien. Wer hätte nicht seine Farah Diba sein wollen? Ich hätte auch nicht Nein gesagt.«
»Ach?«
»Nein, aber da er mir nie den Hof machte, wurde auch nichts draus. Ich glaube nicht, dass er zu den Leuten gehörte, die sich mit Dienstboten abgaben. Charmant und höflich,
aber im Übrigen glaube ich, dass er sich für andere Frauen interessierte als solche wie mich.«
»Yasmine«, sagte Johansson. »Hat sie je Ihre Töchter getroffen? «
»Die Frage habe ich mir auch gestellt, als es geschehen war«, sagte Erika.
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