Der sterbende Detektiv - Roman
Sie?«
»Nein. Er war einfach ein guter Mensch. Einer von denen, derentwegen man alle anderen Männer ertrug, die nicht so waren wie er. Außerdem war er doppelt so alt wie ich.«
Als ob das eine Rolle spielen würde, dachte Johansson, dessen Frau zwanzig Jahre jünger war.
»Was für Arbeiten haben Sie für die Sagerlied erledigt?«, fragte Johansson.
»Geputzt, gespült, Wäsche gewaschen, mich um Haus und Garten gekümmert. Eingekauft. Mitgeholfen, wenn sie Gäste hatte.«
»Und wie war sie? Ich meine als Arbeitgeberin.«
»Nicht geizig«, antwortete Erika Brännström. »Geizig war sie wirklich nicht, aber sehr von sich eingenommen. Wenn ich den Nerv gehabt hätte, mir die ganze Zeit ihre Geschichten anzuhören, dann hätte ich sicher ihre Gesellschaftsdame werden können, und mir wäre das Putzen und Wäschewaschen erspart geblieben.«
»Anspruchsvoll?«
»Man musste sie zu nehmen wissen, immer Ja sagen, dann konnte man immer noch so handeln, wie man es von Anfang an vorgehabt hatte.«
»Bösartig?«
»Überhaupt nicht. Sie war egozentrisch, aber bösartig war sie nicht. Sie konnte manchmal schwierig werden, wenn man nicht mit ihr umzugehen wusste. Sie war einsam und wollte eine feinere Dame sein, als sie in Wirklichkeit war. Sie hatte keine Kinder. Darüber sprach sie oft. Dass ihre Karriere sie daran gehindert habe, Kinder zu bekommen. Dass sie das am meisten bereue. Dass sie so spät geheiratet habe und dann noch einen Mann, der beträchtlich älter gewesen ist als sie.«
»Und Ihre Kinder?«, fragte Johansson. »Traf sie die?«
»O ja, oft«, sagte Erika. »Immer dann, wenn eine der beiden erkältet war und nicht in den Kindergarten konnte. Oder an den Wochenenden und Abenden, wenn ich bei ihr aushalf. Dann übernachteten wir alle bei ihr. Haben Sie selbst Kinder?«
»Ja«, sagte Johansson.
»Dann wissen Sie, wie es ist, kleine Kinder zu haben.«
»In etwa«, erwiderte Johansson.
»Kann ich mir denken«, meinte Erika Brännström, lächelte schwach und rührte noch einmal in ihrer Kaffeetasse.
»Und wie lief es, wenn Sie Ihre Kinder dabeihatten? Ich meine, mit der Sagerlied?«
»Ganz ausgezeichnet«, antwortete Erika. »Sie vergötterten Tante Margaretha. Sie spielten Klavier und sangen, führten Theaterstücke auf, verkleideten sich und vieles andere. Ich hielt mich zurück. Sie verwöhnte sie. Kaufte ihnen viel zu teure Geschenke. Nahm sie Weihnachten zu NK mit und wenn sie Geburtstag hatten und so.«
»Und Ihr Mann?«, fragte Johansson. »Ihr Exmann«, berichtigte er sich. »Hat er Frau Sagerlied getroffen?«
Plötzlich auf der Hut, dachte er.
»Nein, nie. Aber ich verstehe schon, weshalb Sie fragen.«
»Wie meinen Sie das? Inwiefern verstehen Sie das?«
»Sie sind doch von der Polizei, da wissen Sie vermutlich alles über ihn. Um Klartext zu reden: Er ist doch der Grund, weswegen Sie hiersitzen, oder?«
»Durchaus nicht«, antwortete Johansson. »Ich wollte gleich auf Yasmine zu sprechen kommen, aber da Ihnen offenbar klar ist, warum mich Ihr Mann interessiert, so möchten Sie vielleicht über ihn reden.«
»Ich habe nichts zu verbergen. Tommy war ein Nichtsnutz. Er trank zu viel und zwar bereits, als wir uns kennenlernten, da war er gerade mal achtzehn. Ich war das Mädchen vom Land und sicher eine leichte Beute, obwohl ich ein paar Jahre älter war.«
»Er trank also zu viel?«
»Er ging zu viel aus und hatte viel zu viel für Frauen übrig. Ich bin mir ziemlich sicher, dass er die ganze Zeit über, die er
mit mir zusammen war, auch mit anderen was hatte. Mit der Zeit bekam er ernsthafte Alkoholprobleme, aber da hatte ich ihn bereits verlassen und die Mädchen mitgenommen.«
»Und er unternahm nie irgendwelche Versuche, Kontakt aufzunehmen?«
»Nein. Die ersten Jahre meldete er sich fast nie. Ich telefonierte ein paarmal mit ihm wegen des Unterhalts, aber das war zwecklos. Ich musste mir einen Anwalt nehmen und bekam dann Geld von der Unterhaltsvorschusskasse. So blieb es mir erspart, ihn dauernd anzurufen und ihm damit in den Ohren zu liegen. Er war ein Nichtsnutz und trank, wie bereits gesagt, viel zu viel, aber er war an sich kein schlechter Mensch. Natürlich weiß ich von den Misslichkeiten, in die er verwickelt war. Ich weiß, dass er sogar eine Weile ins Gefängnis musste. Es ging um organisierten Diebstahl an seinem Arbeitsplatz. «
»Und seine Töchter? Wollte er die nicht sehen?«
»Als meine Nachfolgerin, wie ich sie in Gedanken zu nennen pflege, ihn
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