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Der sterbende König (German Edition)

Der sterbende König (German Edition)

Titel: Der sterbende König (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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hatte? Die Götter sprechen zu uns, allerdings kaum einmal mit klaren Worten. War ich dazu verdammt, hier zu sterben, an diesem Flussufer? Sigurd glaubte es, und er rief seine Männer zu einem Angriff, den er, wenn sein Ausgang nicht vorausgesagt worden wäre, niemals gewagt hätte. Es gab keine Krieger, ganz gleich, wie schlachtenerprobt sie waren, die hoffen konnten, einen solch starken Schildwall aufzubrechen, wie ich ihn zwischen den kräftigen Brückengeländern aufgestellt hatte. Doch Männer, die von Prophezeiungen beflügelt werden, wagen jede Narrheit in dem Wissen, dass die Nornen ihren Sieg bestimmt haben. Ich berührte das Heft von Schlangenhauch, dann den Thorshammer und ging zurück zur Brücke. «Leg das Feuer», befahl ich Osferth.
    Es war an der Zeit, die Brücke zu verbrennen und sich zurückzuziehen, und Sigurd, wenn er klug gewesen wäre, hätte uns gehen lassen. Er hatte seine Gelegenheit vertan, uns in den Hinterhalt zu locken, und unsere Stellung auf der Brücke war abschreckend vorteilhaft, doch durch seinen Kopf hallte die Prophezeiung irgendeiner seltsamen Frau, und deshalb begann er, seinen Männern eine Rede zu halten. Ich hörte, wie sie ihm mit Rufen antworteten, hörte die Klingen auf die Schilde schlagen, und sah zu, wie die Dänen aus den Sätteln stiegen und eine Kampflinie bildeten. Osferth brachte eine brennende Fackel und rammte sie tief in das aufgeschichtete Stroh, und augenblicklich quoll dicker Rauch empor. Die Dänen johlten, als ich mich mit den Ellbogen zur Mitte unseres Schildwalls durcharbeitete.
    «Er muss sich deinen Tod wirklich dringend herbeiwünschen», sagte Finan heiter.
    «Er ist ein Narr», sagte ich. Ich erzählte Finan nicht, dass die Zauberin meinen Tod vorausgesagt hatte. Finan mochte Christ sein, doch er glaubte trotzdem an jeden Geist und jeden Spuk, er glaubte, dass Elfen durchs Unterholz trippeln und dass sich Geister zwischen den Nachtwolken hindurchschlängeln, und wenn ich ihm von Ælfadell der Zauberin erzählt hätte, wäre er von derselben Furcht ergriffen worden, die mein Herz gepackt hielt. Wenn Sigurd angriff, musste ich kämpfen, denn ich musste die Brücke halten, bis die Balken Feuer gefangen hatten, und Osferth hatte recht, was das Stroh betraf. Es war Schilf, kein Weizenstroh, und es war feucht, und das Feuer brannte nur unwillig. Es rauchte, doch es entwickelte sich kein züngelndes Flammenmeer, das sich in die dicken Balken fressen konnte, die Osferth mit splitternden Hieben seiner Kriegsaxt geschwächt hatte.
    Sigurds Männer dagegen waren alles andere als unwillig. Sie schlugen Schwerter und Äxte gegen ihre schweren Schilde und rangelten um das Vorrecht, den Angriff anzuführen. Sie würden unter der blendenden Sonne halb blind kämpfen, und der Feuerrauch würde ihnen den Atem nehmen, und doch waren sie gierig auf die Schlacht. Das Ansehen ist alles, und es ist das Einzige, was unsere Reise nach Walhall überlebt, und der Mann, der mich niedermachte, würde Ansehen gewinnen. Und deshalb wappneten sie sich im späten Tageslicht für den Angriff.
    «Pater Willibald!», rief ich.
    «Herr?», kam eine ängstliche Stimme vom Ufer des Flusses.
    «Bringt dieses große Banner! Zwei von Euren Mönchen sollen es über uns halten!»
    «Ja, Herr», sagte er, und klang dabei zugleich überrascht und erfreut. Zwei Mönche brachten das enorme Leinenbanner mit dem aufgestickten Christus am Kreuz. Ich befahl ihnen, dicht hinter meiner letzten Reihe Krieger zu bleiben, und stellte ihnen zwei meiner Männer zur Seite. Wenn es auch nur den geringsten Windhauch gegeben hätte, wäre das große Leinenviereck nicht mehr zu halten gewesen, doch für den Moment schwebte es wie ein Wappen über uns, ganz Grün und Gold und Braun und Blau, mit einem dunkelroten Streifen dort, wo sich die Lanze des Soldaten in den Körper Christi gebohrt hatte. Willibald dachte, ich würde die magischen Kräfte seiner Religion benutzen, um die Schwerter und Äxte meiner Männer zu unterstützen, und ich ließ ihm seinen Glauben.
    «Das wirft einen Schatten auf ihre Gesichter», gab Finan zu bedenken und meinte damit, dass wir den Vorteil der Blendung durch den niedrigen Sonnenstand verloren, wenn die Dänen erst einmal in den großen Schatten vordrangen, den das Banner warf.
    «Aber nicht lange», sagte ich. «Steht gerade!», rief ich den beiden Mönchen an den dicken Stangen zu, zwischen denen das große Leinenviereck aufgespannt war. Und genau in diesem Moment, vielleicht

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