Der sterbende Stern
Lärm. Als sie sich dem Waldrand näherten, wurden sie noch vorsichtiger und spähten hinter Bäumen versteckt ins Freie.
Stark erblickte eine weite, sonnige Wiese. In einiger Entfernung befand sich ein verfallenes Gebäude, daß einst eine Mühle oder Teil eines bewehrten Bauwerks gewesen war. Zwei Männer in hellen Umhängen und Lederwämsern saßen entspannt im Eingang, die Waffen neben sich. Die Gesichter waren wegen der Entfernung nicht zu erkennen. Zwischen Wald und Gebäude grasten ein paar zerzauste, dunkelbraune Tiere. In der Luft war nur ein leises Blätterrauschen.
Yarrod war zufrieden. Er hatte es nicht anders erwartet. Er drehte sich um, wollte die anderen rufen.
Und Stark packte ihn an der Schulter und sagte: »Warte!«
Von einem Augenblick zum anderen war es laut geworden.
»Männer. Dort drüben …«
Sie alle konnten Sandalen knarren, Metall klirren hören.
»Überall um uns herum. Sie kommen näher.«
Yarrod schrie los. Die Irnanier wußten, daß sie in eine Falle geraten waren, und rannten los. Baya stolperte und ließ sich fallen. Man ließ sie zurück. Stimmen befahlen ihnen, stehen zu bleiben. Man hörte ein lautes Getrampel von Schritten. Die Irnanier flohen über die Wiese auf die Ruine zu, in der sich ihre Waffen befanden. Stark war aufgefallen, daß sich die Männer im Eingang nicht bewegt hatten, und ihm war klar, daß sie tot waren.
Die Weide war breit und lag im vollen Sonnenlicht, und jetzt kam aus dem Gebäude ein Schauer Pfeile, die zitternd um sie herum in den Boden fuhren.
Yarrod blieb stehen. Er sah sich um. Es war hoffnungslos. Kein Versteck war in Sicht. Aus dem Wald hinter ihnen kamen Männer mit gespannten Bogen. Aus der Ruine strömten Männer ins Freie, an ihrer Spitze ein kleiner, brauner Mann. Er trug einen roten Umhang und hielt statt einer Waffe den Amtsstab in der Hand. Halk sagte nur ein Wort, und es klang wie ein Fluch.
»Mordach!«
Stark war zu einer Entscheidung gekommen. Die Pfeile waren lang und spitz, und Stark wußte, daß er nicht schnell genug war. Er blieb also auch stehen und wartete ab.
»Wer ist Mordach?« fragte er.
»Der oberste Stabträger von Irnan«, sagte Yarrod verzweifelt. »Jemand muß uns verraten haben.«
»Die Jagdgesellschaft«, sagte er, »in seltsamer Aufmachung und ohne Waffen. Und doch sehe ich, daß ihr eine Art Wild gefangen habt.« Er blickte Stark an.
»Ein Fremder«, sagte Mordach, »wo Fremde nichts zu suchen haben, in Gesellschaft mit Gesetzesbrechern. Wart ihr dem auf der Spur? Einer, der eure Prophezeiung erfüllen soll?«
»Vielleicht wird er sie erfüllen«, sagte Halk boshaft. »Gelmar war davon überzeugt. Er versuchte, ihn zu töten, und es gelang ihm nicht.«
Zwei Männer brachten Baya. »Wir fanden sie im Wald. Anscheinend gehört sie nicht zu ihnen.«
»Ich bin eine Wanderin«, sagte Baya und ging vor Mordach auf die Knie. »Im Namen der Schutzherren!« Sie zeigte ihre Fesseln. »Man hat mich mit Gewalt aus Skeg geschleppt.«
»Wer?«
»Der Mann dort, der Fremde. Erick John Stark.«
»Warum?«
»Weil er überlebt hat, was ihn hätte töten müssen.« Sie warf Stark einen haßerfüllten Blick zu. »Er hat sich vor uns in das Meer gerettet. Du weißt, was das bedeutet, aber er hat es überlebt. Er hat ein Kind des Meeres getötet. Und ich habe ihn gesehen! Er ist der Dunkle Mann der Prophezeiung. Tötet ihn! Tötet ihn hier auf der Stelle!«
»Na, na«, sagte Mordach gedankenverloren und strich ihr über das zerzauste Haar. Mit kalten Augen sah er Stark an. »Töten ist eine ernste Sache und eine heilsame dazu. Vergeuden darf man sie nicht.« Er winkte einige Männer herbei. »Bindet sie, und zwar fest, vor allem den Fremden.«
»Mordach«, sagte Yarrod, »wer hat uns verraten?«
»Ihr selbst habt euch verraten«, sagte der. »Eure Vorbereitungen brauchten Zeit, und man hat euch beobachtet. Wir wissen, daß du und Halk zu den Befürwortern einer Auswanderung gehören. Als ihr auf die Jagd zogt, wollten wir wissen, was für Beute ihr machen würdet.« Er warf wieder einen Blick auf Stark. »Du wolltest ihn zu Gerrith bringen?«
Yarrod antwortete nicht. Mordach nickte. »Natürlich, und sie müssen sich auch treffen, in aller Öffentlichkeit.«
Er nahm Baya mit sich, und die Männer banden die Gefangenen mit Lederriemen. Stark hatte diese Art Männer noch nicht gesehen. Sie hatten flachsblondes Haar, vorstehende Backenknochen und schmale, gelbe Augen. Zu den Wanderern gehörten sie sicher
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