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Der Stern von Yucatan

Der Stern von Yucatan

Titel: Der Stern von Yucatan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Debbie Macomber
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blicken lassen. Immer wieder hatte er sie gewarnt!
    Mit geballten Fäusten stürzte er sich in die Schlacht. Beim ersten Schlag flog der Kopf des anderen zurück. Er glaubte schon, ihn überwältigt zu haben, als Carlos plötzlich eine Waffe zog. Er zielte damit jedoch nicht auf ihn, Jack, sondern auf Marcie.
    “Nein!” Mit einem entsetzten Aufschrei sprang Jack vor Carlos und fing die Kugel ab. Er spürte den Einschlag, den brennenden Schmerz und wusste sofort, dass es ihn diesmal richtig erwischt hatte. Nach all den glücklichen Wendungen in letzter Sekunde, in denen er um Haaresbreite dem Tod entronnen war, schien sein Glück zu Ende zu sein. Es war zu spät, diesmal würde er sterben.
    Ah … endlich verstand er. Jetzt war ihm alles klar. Sein Tod, die Tatsache, dass er sein Leben für jemand gegeben hatte, den er liebte, hatte ihm einen Platz im Himmel gesichert. Der pochende Schmerz in seiner Schulter schien schon gar nicht mehr so schlimm zu sein. Er hatte Marcie gerettet.
    “Jack, oh Jack, du glühst vor Fieber.”
    Er öffnete die Augen und erwartete, Marcies Gesicht zu sehen. Stattdessen sah er Lorraine. Verwirrt blinzelte er.
    “Wo bin ich?” Er war nicht sicher, die Frage laut gesprochen zu haben, bis Lorraine antwortete.
    “Mitten im Golf von Mexiko. Jack, ich habe keine Ahnung, wo wir genau sind. Wir treiben nur, die Motoren sind aus. Ich habe seit zwei Tagen kein Land gesehen … aber wenigstens regnet es im Moment nicht mehr.”
    Obwohl er die Augen offen halten wollte, fielen sie ihm langsam zu. Er wollte Lorraine so gern trösten, dass sie sich keine Sorgen machen sollte, alles werde gut werden, doch er konnte nicht mehr sprechen. Er wollte unbesorgt ausruhen. Marcie war wieder bei Mann und Kindern, und Lorraine war auch in Sicherheit. Vor Carlos und vor ihm.
    Der Wolkenbruch prasselte auf sie hernieder. Lorraine saß an Deck neben Jack und hielt eine Vinylplane über ihn, bis sich die Muskeln ihrer Oberarme aus Protest verkrampften. Die Plane bot nicht viel Schutz, hielt jedoch den Regen von Jacks Gesicht fern.
    Zwei Tage dauerte das Unwetter nun schon, mit kurzen Unterbrechungen. Jedes Mal wenn der Regen schwächer wurde, hatte sie geglaubt, es sei vorüber, doch dann ging es von Neuem los. Sie wusste nicht, was schlimmer war, das Wetter oder ihre Notlage. Da sie kein Land mehr sah, hatte sie keine Ahnung, wie sie ihre Position feststellen sollte. Falls Jack starb, wusste sie nicht, was aus ihr wurde.
    Sie wollte dass Jack überlebte – und bei Weitem nicht bloß wegen seiner navigatorischen Fähigkeiten. Sie schuldete ihm sehr viel. Mehr als sie zurückzahlen konnte. Wenn sie überlegte, dass er angeschossen worden war, weil er sie vor Carlos retten wollte, krampfte sich ihr Herz zusammen.
    Sie hatte große Angst, dass er sterben könnte.
    Sie fürchtete, Carlos getötet zu haben, aber noch mehr, es nicht getan zu haben.
    Sie hatte Angst, zwischenzeitlich so komplett den Kurs verloren zu haben, dass nicht mal Jack den Rückweg fand, und sie auf See starben. Sie fürchtete, falls jemand sie rettete, ihre Unschuld nicht beweisen zu können und jahrelang in mexikanischen Gefängnissen zu verrotten. Auch davor hatte sie Angst.
    So trieben sie ziellos dahin, und Lorraine blieb an Jacks Seite, solange das Unwetter dauerte.
    Stundenlang unterhielt sie sich damit, an die Handlungen alter Lieblingsfilme zu denken.
    Dann dachte sie über ihre Mutter nach, versuchte sie zu hassen und merkte, dass es nicht ging. Sie dachte über die Ehe ihrer Eltern nach, bis alles auf eine verrückte Weise Sinn ergab. Ihre Eltern hatten sich geliebt, doch unveränderbare Umstände hatten zu ihrer Trennung geführt. Laut ihrem Vater waren sie dennoch jahrelang in Kontakt geblieben, bis Virginia seine Briefe nicht mehr beantwortet und ihn nicht mehr besucht hatte. Sie erinnerte sich, dass ihre Mutter früher auf so genannte Geschäftsreisen gegangen war. Sie war dann eine Woche oder so bei Tante Elaine geblieben. Ihre Mutter war immer traurig von diesen Reisen zurückgekehrt.
    Irgendwann hatte ihre Mutter dann die Entscheidung getroffen, nicht nach Mexiko überzusiedeln. Als gläubige Katholikin kam Scheidung für sie ebenfalls nicht in Frage. Irgendwie musste sie Frieden mit sich und ihrer Vergangenheit geschlossen und sich, aus welchen Gründen auch immer, aus Thomas’ Leben verabschiedet haben.
    Nichts davon erklärte jedoch, warum sie ihr nie die Wahrheit gesagt hatte.
    Ihre Gefühle für ihre Mutter waren

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