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Der Stern von Yucatan

Der Stern von Yucatan

Titel: Der Stern von Yucatan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Debbie Macomber
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erleben. Von jetzt an würde sie Gaze auskochen und die Wunde damit versorgen, bis die Heilung einsetzte. Und Jack Keller würde für den Rest seines Lebens eine Kugel in der Schulter haben als Erinnerung an ihre Torheit.
    Sie brachte Pinzette und Schere wieder unter Deck und holte den Tampon. Nachdem der Verband angelegt war, der die Gaze fest auf die Wunde presste, begannen ihre Hände wieder zu zittern. Der Schock setzte ein. Sie streichelte Jack die Stirn und schob ihm abermals das Haar zurück. Seine Haut schien nicht mehr so feucht zu sein wie vorhin. Sie versuchte, seinen Zustand so nüchtern wie möglich einzuschätzen. Seine Atmung schien ebenfalls besser geworden zu sein, wirkte nicht mehr so flach.
    In dem Moment traf sie der erste Regentropfen. Ganz auf ihre Aufgabe konzentriert, hatte sie nicht bemerkt, wie finster der Himmel geworden war. Der Wind hatte aufgefrischt. Jack unter Deck zu bringen war jedoch unmöglich.
    Weitere Tropfen trafen sie, und dann ging es richtig los mit Regen.
    Ihr blieb keine Wahl, als das Unwetter abzuwarten und Jack, so gut es ging, vor der Nässe zu schützen.
    Jack war in der Hölle, zumindest glaubte er das. Ihm war, als brenne er. Nach einer Weile merkte er jedoch, dass sich der Schmerz auf eine Stelle konzentrierte. Für den größten Teil seines Unbehagens schien seine Schulter verantwortlich zu sein.
    Sein Mund war ausgedörrt, und er sehnte sich nach einem Schluck frischen Wassers. Zweifellos befand er sich in der Hölle, andernfalls könnte er nicht so durstig sein.
    Als hätte er seinen Wunsch laut ausgesprochen, spürte er plötzlich etwas Kühles an den Lippen. Aber nur einen Tropfen, als hätte Gott beschlossen, ihn zu strafen, indem er seine Qual nur andeutungsweise linderte. Gerade genug, um ihm die Stärke seines Durstes bewusst zu machen.
    “Trink!”, bat eine leise, weibliche Stimme.
    Marcie? Hier? Jetzt? Mehr brauchte er nicht, um überzeugt zu sein, dass er in der Tat bestraft wurde. Alles, was er sich wünschte, wurde ihm dargeboten und dann vorenthalten. Er war in ein loderndes Feuer geraten. Sein Herz schmerzte vor Sehnsucht beim Klang ihrer sanften, liebevollen Stimme.
    Er spürte, dass jemand seinen Kopf leicht anhob. Ein Glas Wasser wurde ihm an die Lippen gehalten. Sobald er merkte, was es war, trank er gierig und dankbar.
Ich bin im Himmel!
, stellte er fest. Endlich hatte man ihn an einen heiligeren Ruheplatz gebracht. Wenngleich er nicht verstand, was er getan hatte, eine solche Vorzugsbehandlung zu verdienen. Aber he, wer war er schon, eine Anweisung von ganz oben in Frage zu stellen, zumal eine, die ihm nützte.
    Zufrieden fiel Jack in einen tiefen friedlichen Schlaf.
    Im Traum besuchte er ein mexikanisches Dorf. Er sah sich um zwischen den von der Sonne gebackenen Adobehäusern, der kleinen Kirche und der Cantina. So weit, so gut.
    Dann erschien Marcie. Die süße Marcie, die Frau des Installateurs. Marcie und ihre Kinder. Marcie und ihr Ehemann.
    Jack beobachtete neidvoll, was für eine wunderbare Mutter sie den Zwillingen war. Dann und wann sah sie lächelnd in seine Richtung. Allerdings konnte sie ihn nicht sehen. Das wusste er. Denn er betrachtete die Szene von außerhalb. Eine tiefe Traurigkeit erfüllte ihn. Die Art Traurigkeit, die einem die eigenen Versäumnisse und Unzulänglichkeiten bewusst macht.
    Seine Traum-Marcie mit ihrer Familie zu beobachten, ihr Glück und ihre Liebe zu sehen, machte ihm klar, wie sein Leben hätte verlaufen können, wenn er ein anderer Mensch gewesen wäre. Wenn er im Laufe der Jahre andere Entscheidungen getroffen hätte.
    In Selbstmitleid gefangen, merkte er nicht, dass ein anderer Mann die kleine Szene betreten hatte. Jack stutzte, überzeugt, dass da ein Fehler passiert war. Der Mann war Carlos. Jack rief ihm etwas Herausforderndes zu, doch der Traum-Carlos hörte ihn nicht.
    Dann packte Carlos Marcie bei den Schultern und schob sie gegen eine Wand. Jack sprang auf. “Was zum Teufel tust du da?”, schrie er.
    Er wusste sehr wohl, dass Schreien keinen Sinn hatte, da ihn niemand hören konnte. Er wartete, dass Clifford einschritt. Aber Clifford war nirgends zu sehen. Auch die Kinder waren verschwunden.
    Er richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf Marcie und sah hilflos zu, wie Carlos sie bedrängte. Es bestand kein Zweifel, dass Carlos sie vergewaltigen wollte. Er musste ihn aufhalten. Sie hatte keine Zeit, sich selbst aus der Klemme zu befreien. Verdammt, er hatte ihr gesagt, sie solle sich nicht

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