Der Sternengarten: Historischer Roman (German Edition)
sangen sie, »Oss, Oss, Oss …« Und dann: »Christian, Sophie, Sophian …« Überwältigt schloss er die Augen.
Ja, er hatte verstanden. Und er begriff, was zu tun war und warum Gott ihn an diesen Ort geführt hatte. Dies war sein Geschenk, Gottes Entschuldigung für das Scheitern am Ochsenweg. Nicht Christian Rantzau hatte versagt, Gott hatte versagt. Und darum schenkte er ihm nun dieses wundersame Wesen. Er dürfte es gebrauchen, ganz wie es ihm gefiel.
Stöhnend ließ er den Degen fallen und warf sich über das Geschenk. Und während er mit der einen Hand den Zopf hervorzerrte und dem Mädchen wie eine Schlinge um den Hals legte, wühlte die andere sich durch den feuchten Schoß und die festen Backen.
»Herr …«, stöhnte das Ding und schluchzte auf. »Bitte nicht, Herr.«
»Mein, mein, mein …«, antwortete er den Engeln, dann stieß er zu und ließ sich trunken von seiner Erregung davontragen.
Als es geschah, versuchte sie, ihre Gedanken von ihrem Körper zu lösen. Sie wollte nicht spüren, wie er sich in ihr bewegte. Dass er sie drehte und wendete wie Schlachtvieh. Dass er seine widerliche Lust an ihr abarbeitete.
Sie spürte, dass sie schreien und weinen wollte und doch schnürte ihr etwas die Kehle zu. Sie bekam kaum noch Luft, bog den Kopf nach hinten und sah den Herkules, der über ihr in den Himmel ragte.
Schließlich lag sie still, wie tot. Sie hatte aufgehört, sich zu fragen, warum Farid ihr nicht zu Hilfe kam. Und alles in ihr war schwarze Leere.
Irgendwann ließ er von ihr ab. Sie hörte seine Hose rascheln, seine Stiefel im Sand.
Er trat nach ihr, gegen den Kopf, den Bauch, die Beine. Doch sie rührte sich nicht.
Vielleicht dachte er, dass er sie getötet hatte. Vielleicht war es ihm auch egal. Als er ging, hörte sie ihn leise summen.
Dann war nur noch Schwärze in ihrem Kopf.
Anno 1645
EINS
Die Tage waren grau, die Nächte lang und von schrecklichen Träumen zerquält. Wie sollte sie das Unaussprechliche verwinden? Und dann die Scham über das, was mit ihr geschah. Über das Wesen, das Besitz von ihr ergriffen hatte. Das wie eine alles verschlingende Pflanze in ihrem Inneren wucherte.
Im Herbst hatte Sophie bemerkt, dass sie schwanger war. Der Moment der Erkenntnis war furchtbar gewesen: Sie hatte sich nicht vorstellen können, das Kind auszutragen. Noch schrecklicher war jedoch die Frage nach dem Vater des Kindes. War es Flieder? Oder war es der Fremde gewesen, der sie in den Gärten überwältigt hatte? Der sie wie ein Stück Vieh benutzt und dann im Staub zurückgelassen hatte.
In den Nächten, wenn sie wach gelegen und in ihren plötzlich so fremden Körper hineingehorcht hatte, bestürmten sie die Gedanken. Beide Möglichkeiten, so dachte sie dann, wären eine Katastrophe. Ein Kind von Farid käme als Frucht einer verbotenen Liebe in die Welt, denn als Christin durfte sie sich nicht mit einem Moslem einlassen. Und den Bastard einer Vergewaltigung würde sie nicht lieben können. Nie! Müsste sie nicht bei jedem Blick auf das Kind zusammenzucken? Könnte sie es je in die Arme schließen und dabei nicht an den gewaltsamen Akt denken? Bereits jetzt kostete es sie all ihre Kraft, die Erinnerung an jene Nacht hinter eine Fassade aus Alltäglichkeit zu drängen.
Und ihr Leben – was bliebe ihr von ihrem Glück und ihren Sehnsüchten? Müsste sie die Gärtnerlehre nicht aufgeben?
Farid, der bemerkt hatte, dass sie etwas bedrückte, hatte ihr immer wieder in Worten und Gesten seine Liebe versichert. Doch sie konnte ihm die Schwangerschaft nicht offenbaren. So vieles war nach der Liebesnacht auf dem Hügel geschehen, das sie ihm verschwiegen hatte. Wie hätte sie es ihm auch erklären sollen?
Auch als Farid sie nach dem Gewaltakt bewusstlos am Herkulesbrunnen gefunden hatte, da hatte sie ihm – später, als sie sich wieder erinnerte – nur den Überfall und die Schläge berichten können. Sie hatte von einem Fremden gesprochen, der plötzlich und ohne jeden Grund über sie hergefallen war.
»Ich habe nach dir gerufen«, hatte sie Farid anklagend vorgehalten. »Warum bist du nicht gekommen?«
Und die Schuld, ihr nicht geholfen zu haben, hatte Farid schwer getroffen.
Doch hätte Farid ihre Schreie auf dem Hügel überhaupt hören können? Schließlich hatte er sie gesucht, als sie nicht in ihrem Versteck erschienen war. Er hatte sie in ihr Lager getragen, sie gewaschen und ihre Wunden versorgt. Er hatte sie in seinen Armen gehalten, als sie weinte und vor Zorn zitterte. Er
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