Der Sternengarten: Historischer Roman (German Edition)
sie schweißgebadet aufgewacht war, hatte er sie in seine Arme ziehen dürfen. Für einen Moment waren sie sich so nah wie lange nicht mehr gewesen. Doch als seine Hände behutsam über ihren Körper fahren wollten, hatte sie ihn plötzlich von sich gestoßen und sich von ihm weggedreht. Im Morgenlicht, das sich durch die Fensteröffnungen stahl, hatte er sehen können, wie ihre Schultern im Rhythmus ihrer leisen Schluchzer zuckten.
Dennoch hatte er gespürt, dass sich noch etwas anderes verändert hatte. Etwas, das er vielleicht schon geahnt hatte. Eine Linie, ein Umriss, die Kontur ihres Körpers. Und da wusste er, dass er nicht mehr länger schweigen durfte.
Am Morgen hatte er Sophie noch genauer als sonst beobachtet. Er hatte bemerkt, dass sie etwas unter ihren Kleiderschichten verbarg. Sie bewegte sich anders, mehr aus ihrer Mitte heraus. Wenn sie sich vorbeugte, schien sie für einen Augenblick das Gleichgewicht zu verlieren. Es kostete sie Kraft, sich aus der Hocke emporzustemmen. Sie atmete schneller, gierig sog sie die Luft ein. Und sie roch anders – nach Mandeln und Honigmilch. Ein Duft, der ihn an seine Kindheit erinnerte. Wie hatte er so blind sein können?
Gemeinsam waren sie an diesem Tag von einem Gesellen in die Gartenwerkstatt gerufen worden, um die Werkzeuge zu pflegen. Im Winter ließ Meister Friedrichs das Gerät regelmäßig mit Fetten polieren, damit Sensen, Sicheln, Scheren, Harken und Spaten keinen Rost ansetzten. Schweigend hatten sie sich mit ihren Lappen und Schmalztöpfen an die Arbeit gemacht.
In der Werkstatt war es nicht allzu kalt, ein Ofen verbreitete polternde Wärme, die jedoch nicht bis in alle Winkel des Saales reichte. An den Fensterscheiben wuchsen Eisblumen, zarte Gebilde, schöner noch als manche Rosenblüte.
Sie waren allein, die übrigen Garteneleven und Gesellen befanden sich auf einem Rundgang durch die Gärten. Farid starrte vor sich hin, er suchte nach Worten, um Sophies Geheimnis zu lüften.
»Du hast geträumt heute Nacht«, begann er vorsichtig.
Sophie hielt eine Heckenschere in ihren Händen, abwesend blickte sie auf.
»Du sprichst in deinen Träumen, Sophie.«
»So?« Sie widmete sich wieder den Scherenblättern. Ihre Stimme war wie von Raureif überzogen.
»Wer ist dieser Oss?«
Sie zuckte zusammen. Anklagend hob sie den Daumen der linken Hand. Blut tropfte auf ihr Hemd, sie hatte sich geschnitten.
»Warte …« Farid sprang auf und nahm ihr die Schere ab. Mit seinem Hemd wischte er ihr das Blut vom Daumen. Der Schnitt war tief und er schalt sich für seine Worte. Fluchend blickte er sich nach einem sauberen Tuch um.
»In der Kiste auf dem Tisch …« Sophie kannte sich in der Werkstatt aus. In den Gärten kam es oft zu Verletzungen, der Gartenmeister bewahrte einige Salben und Binden unter seinen Sachen auf.
In dem Kasten fand er ein sauberes Tuch, vorsichtig wickelte er es Sophie um den Daumen.
»Danke.« Sie beugte sich wieder über die Schere, doch Farid nahm ihr das scharfe Werkzeug aus der Hand.
»Lass mich das machen!«
»Warum?« Ihr Blick war nun gereizt, sie schüttelte den Kopf.
»Du bist nicht allein.«
Sie sah ihn an. Ihr Blick spiegelte Entsetzen – und dann, Erleichterung. Vielleicht war sie froh, dass er ihr Geheimnis kannte?
»Woher weißt du?«
Sie stand auf und trat an eines der Fenster. Mit dem Finger zeichnete sie die Umrisse der Eisblumen nach.
»Du hast dich verändert, Sophie.«
»Du hast dich auch verändert.«
Sie drehte sich wieder zu ihm, die Eisblumen in ihrem Rücken begannen zu schmelzen.
Er zuckte mit den Schultern, sie machte es ihm nicht leicht, den Abgrund des Schweigens zu überwinden.
»Ich bin der Vater deines Kindes, Sophie.«
Sie starrte an ihm vorbei, floh seinen Blick, fixierte einen Punkt an der Wand hinter ihm.
»Wir bekommen ein Kind.«
Er trat auf sie zu, doch sie wich ihm aus. Ihre Abwehr tat ihm weh.
»Sophie, ich liebe dich. Man tora dust daram. «
»Wenn das Kind kommt, werde ich nicht mehr in den Gärten arbeiten können. Meister Friedrichs wird mich entlassen, Farid. Was soll ich tun?«
»Komm mit mir.«
Er packte sie nun an den Schultern und drehte sie zu sich. Als sie vor ihm stand, spürte er ihren gerundeten Leib. Für einen Moment waren sie wieder eins. Gerührt dachte er, dass dort sein Kind unter ihrem Herzen heranwuchs. Doch bevor er sie noch enger an sich ziehen konnte, befreite sie sich wieder aus seiner Umarmung.
»Komm mit mir, Sophie. Nach Husum. Ich könnte mich
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