Der Sternengarten: Historischer Roman (German Edition)
Steuern nun abnicken oder nicht. Was soll es uns kümmern, wir sind doch von den Lasten befreit.«
Christian Rantzau wollte antworten, doch ein anderer kam ihm zuvor. »Idiot«, schrie Jörg Ahlefeldt erregt. »Siehst du denn nicht, worauf das hinausläuft?«
Als Antwort setzte wildes Stimmengewirr ein, die vom Bier erhitzten Männer machten ihrem Unmut Luft. Wieder griff Christian Rantzau zur Peitsche und ließ die Schnur durch die Luft sausen. Das Fauchen des Lederriemens brachte die Männer zur Besinnung.
»Ahlefeldt hat recht«, schrie er. »Dann werden die Landtage überflüssig, und König und Herzog können ohne uns regieren. Der Adel wird in den Herzogtümern politisch bedeutungslos sein. Schaut doch nach Frankreich, dort sind die Adligen vom König bereits zu Marionetten degradiert. Sie sind nicht mehr als herausgeputzte Laffen und Gecken, die König Ludwig XIV . umschmeicheln. Und auch Herzog Friedrich drängt den Einfluss der Ritterschaft am Hof durch seine Beamten immer weiter zurück. Räte bürgerlicher Herkunft dienen ihm als Ratgeber und es werden ihrer immer mehr …« Rantzau spuckte aus, gallenbitter war die Verachtung in ihm hochgestiegen, und rasender Zorn brannte in seinen Eingeweiden. Vor sich sah er das hochmütige Gesicht des herzoglichen Kanzlers. Johann Adolf Kielmann, ein bürgerlicher Advokat, schien ihm selbstgefällig zuzuzwinkern.
Die Männer waren herangerückt, in vielen Gesichtern las Christian Rantzau nun Verständnis und Zustimmung. Schnell ging er in die Knie und ließ sich vom Tisch zu den Männern hinabgleiten. Die Ritter umringten ihn wie eine Meute Hunde ihren Herrn, viele klopften ihm zustimmend auf die Schulter.
»Was schlagt Ihr vor?« Zuerst war es nur einer, der sich vorwagte, dann fiel ein zweiter, dann ein dritter ein. Schließlich wogte die Frage durch die Halle, ein surrender Ton, gefährlich und unberechenbar.
»Wir müssen einig sein.« Christian Rantzau erinnerte die Männer an die Losung der Herzogtümer, an die Stärke der Ritterschaft: »Dat se bliven ewich tosamende ungedelt …« , schrie er und hob die Faust. »Dafür haben unsere Ahnen gekämpft. König und Herzog müssen wissen, dass sie nicht an der Macht der Stände vorbeikommen – weder heute noch morgen. Wir werden für unsere Rechte kämpfen und wir werden uns unsere Privilegien nicht nehmen lassen. Wir müssen wachsam sein: keine neuen Steuern ohne Zustimmung des Landtags! Die Stände müssen sich endlich wieder in Erinnerung bringen. Sonst werden die hohen Herren uns eines Tages kleinmachen, man wird uns keine Festungen mehr anvertrauen und versuchen, uns möglichst viele Güter abzunehmen, um sie an die Bürgerlichen zu verkaufen.«
»Wir werden die Gutsbauern nicht mehr schinden dürfen!«, rief Ahlefeldt zornig dazwischen. »Wer soll unsere Felder bestellen, wenn die Bauern aufbegehren?«
»Nieder mit den Bürgerlichen, nieder mit den verfluchten Beamten …« Christian Rantzau ließ sich von der Begeisterung der Männer tragen, ihre Zustimmung berauschte ihn.
Es fehlte nicht viel, und das Wort Aufstand hätte feixend auf seiner Zunge getanzt. Ein Gedanke wie ein Fluch – schlimmer noch als Hochverrat und gefährlicher als der Tod.
FÜNF
Die sanfte Hügellandschaft, bewaldet und in den Senken von moorigen Partien und Heidekraut durchzogen, lag wie unberührt vor den Männern. Eine tief stehende Sonne warf Schatten auf die Ebene, an einem Tümpel stillten Ochsen ihren Durst.
Während Christian Holz für das abendliche Feuer sammelte, beobachtete er die Tiere. Zu Beginn des Treibens, als sie die gemästeten Ochsen in Jütland übernommen hatten, waren sie ihm rätselhaft und unberechenbar erschienen – eine Horde zotteliger, wiederkäuender Riesen. Doch auf dem Zug nach Süden hatte er festgestellt, dass sich hinter ihrem bedrohlichen Äußeren gutmütige und geduldige Wesen verbargen. Schon nach wenigen Tagen hatte Christian ihr Vertrauen erworben und Freundschaft mit den Tieren geschlossen. Die Ochsen gehorchten seinen Befehlen mit unerschütterlicher Gelassenheit, und ein Blick in ihre dunklen, wehmütigen Augen erzählte ihm von ihrem Bund mit dem Menschen, dem sie seit Urzeiten Gefährten und Nahrung zugleich waren.
Christian dachte, dass die Ochsen ihm näher standen als die meisten Treiber und ihr Anführer, Viehhändler Schröder aus Schleswig. Von Ossen-Schröders ledrig gegerbtem Gesicht hatte er noch nie eine Spur Freundlichkeit ablesen können. Kalt und misstrauisch
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