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Der Sternengarten: Historischer Roman (German Edition)

Der Sternengarten: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Sternengarten: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Burseg
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ihnen wohl einen Teil der Herde abnehmen sollte. Dann würde der Viehhändler mit dem Rest nach Schleswig zurückkehren und lediglich auf die Tiere, mit denen er die Hafenbrücke überquerte, Zoll bezahlen.
    »Das ist Betrug«, hatte Christians Vater geflüstert, als sein Sohn ihn auf dem nächtlichen Lager nach den Absichten des Viehhändlers befragt hatte. »Aber was soll der Schröder tun? So viele Jahre hat er seinen Zoll gezahlt, ohne zu murren. Dabei sind die Straßen immer unsicherer geworden. Und inzwischen sind die Zölle so hoch, dass kaum noch Gewinn übrig bleibt. Schröder muss ja auch noch uns, seine Treiber, bezahlen. Er wird schon wissen, was er tut.«
    Im flackernden Licht des Feuers hatte Christian nicht deuten können, ob da Furcht in den Augen des Vaters stand, doch seine zögerliche Stimme hatte ihm verraten: Ihm war nicht wohl beim Gedanken an die Häscher des Herzogs. Die Männer wussten, dass sie gegen die Gesetze des Landesherrn verstießen. Und Schmuggel wurde streng bestraft, bisweilen sogar mit dem Tod.
    Der Sack in Christians Händen war schwer und schwerer geworden, mühsam schleifte er ihn hinter sich her. Noch einige trockene Äste, dann wollte er zu den Männern zurückkehren. Doch plötzlich meinte Christian, Pferdehufe zu hören. Erschrocken ließ er das Holz fallen und drückte sich unter einen Strauch. Waren das die Männer, auf die Ossen-Schröder wartete? Ängstlich lauschte er in seinem Versteck, doch da war zunächst nichts, nur ein dumpfes Rauschen: Das Blut pulsierte in seinen Ohren.
    Im nächsten Moment hörte er wieder Hufschläge, Reiter näherten sich im Galopp. Mit flachem Atem kroch Christian tiefer in das Gebüsch hinein und drückte sich auf den Boden ohne auf die Dornen zu achten, die seine Arme und Beine zerkratzten. Die Erde bebte, Sand spritzte auf und kitzelte in seiner Nase, als die Pferde ganz nah an seinem Versteck vorbeiflogen. Bevor er noch an die Treiber denken konnte, drangen Wortfetzen wie Geschosse in sein Bewusstsein vor.
    »Ochsen …«, hörte er. Und dann: »Verdammte Schmuggler …«
    Ein Fluch folgte, die Männer waren vorbei.
    Die Männer des Herzogs! Panik ergriff ihn. Christian überschlug, wie viele Pferde er gesehen hatte. Waren es fünf oder sechs? Und: Hatten die Viehtreiber oben auf dem Hügel die Männer noch rechtzeitig bemerkt? Hatten sie ihnen entkommen können? Denn Ossen-Schröder hatte ihnen eingeschärft zu fliehen, sobald die Häscher des Herzogs auf ihre Spur gestoßen wären. Immer und immer wieder.
    »Und wenn sie euch erwischen: kein falsches Wort«, das war sein Befehl gewesen, der wie ein Fluch durch Christians Gedanken echote. »Kein falsches Wort oder es wird euch schlecht ergehen.«
    Die Angst lähmte Christian. Starr lag er da, kniff die Augen zusammen und presste die Hände auf die Ohren. Er hatte versucht, an etwas Schönes zu denken, an seine Schwester, und nicht daran, was dort oben auf dem Hügel geschah. Tränen quollen zwischen seinen Lidern hervor, er gab keinen Laut von sich.
    Vielleicht war eine Ewigkeit vergangen – vielleicht auch nur ein Augenblick. Als er die Hände von den Ohren nahm und die Augen öffnete, hatte es zu dämmern begonnen. Spöttisch sangen die Drosseln ihr Abendlied und ihm war, als verlachten sie ihn und seine Angst.
    Die Reiter waren fort. Vorsichtig robbte Christian aus seinem Versteck. Er wagte nicht aufzustehen und lag flach im Gras, so lange bis sein Atem sich beruhigt hatte. In der Ferne meinte er, die Ochsen zu hören. Das Geräusch ihrer Körper, die sich schwerfällig in Bewegung gesetzt hatten. Der Boden zitterte unter ihren Hufen.
    Christians Gedanken überschlugen sich: Die Ochsen … Das waren doch seine Ochsen! Irgendjemand trieb die Herde zusammen. Die Tiere schnaubten unwillig, protestierten, denn sie wollten nicht bewegt werden. Die Ochsen mussten abends ruhen, das Gras wiederkäuen und verdauen, das im Lauf des Tages in ihre Mägen gelangt war. Wären es weibliche Tiere, Kühe, wäre jetzt der Zeitpunkt gekommen, wo sich Gras und wilde Kräuter auf wundersame Weise in sahnige Milch verwandelten.
    Eine Peitsche knallte, Christian zuckte zusammen. Die Viehtreiber benutzten kurze, handliche Stöcke, wie man sie am Wegesrand und in den Knicks finden konnte. Ein mahnender Stups auf die Flanken der Ochsen genügte, um die Herde in Bewegung zu setzen. Niemals würden die Männer die Tiere mit einer Lederpeitsche in Aufregung versetzen. Ochsen, die galoppierten, verloren

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