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Der Sternengarten: Historischer Roman (German Edition)

Der Sternengarten: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Sternengarten: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Burseg
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System neigte, aber doch das altbekannte Weltenbild des Ptolemäus für seine Erfindung des Sternenhimmels gewählt hatte?
    »Es ist der scheinbare Himmel«, begann er sein Konstrukt vorsichtig zu erläutern. »Dem Beobachter erscheint der Himmel als ein riesiges Gewölbe, in dessen Mitte er selbst auf der Oberseite der unbeweglich ruhenden Erdkugel steht. Der kreisrunde, scheinbare Horizont begrenzt sein Blickfeld. Das Himmelsgewölbe scheint sich einmal am Tag von Ost nach West um den Himmelspol und um die Erde zu drehen. Das Sternentheater imitiert die Situation, die wir hier auf Gottorf vorfinden. Es ist einzigartig in der Welt. Nur auf Schloss Gottorf kann man diese Reise zu den Sternen erleben.«
    Der Herzog schwieg einen Moment, Olearius sah, wie die Gedanken hinter seiner hohen Stirn wirbelten. Dann klarte sich seine Miene auf.
    »Ihr meint, dass ich im Globusinneren genau das Sternengewölbe vorfinde, welches sich mir auch beim Blick vom Dach des Globushauses in den Himmel bietet?«
    »Völlig richtig, Durchlaucht.«
    Olearius hielt noch immer den Atem an, inzwischen lief ihm der Schweiß von der Stirn in den Kragen. Er lächelte entschuldigend.
    »Und ich verstehe Euch richtig, wenn Ihr mir sagen wollt, dass Ihr eigentlich Kopernikus zuneigt, aber kein Mensch seine Berechnungen so darstellen könnte, dass sie den scheinbar tatsächlichen Verhältnissen entsprechen.«
    »Von der Erde aus betrachtet, stellt es sich so dar, wie unser Sternenglobus es zeigt. Meine Studien und Sternenbeobachtungen sagen nichts anderes. Aber die Mechanismen und Kräfte, die dahinter stehen, Gottes Schöpfung, die von ihm geschaffene und regierte Welt …«
    Olearius breitete die Arme aus, als wollte er das Universum umfassen.
    »Ich möchte Euch vorschlagen, neben dem Riesenglobus noch eine kleinere Maschine, eine Sphaera Copernicana , in Auftrag zu geben, welche das kopernikanische Weltensystem verdeutlicht. Im Großen bilden wir dann ab, was unser Auge sieht. Und im Kleinen erklären wir der Welt, wie Gottes Schöpfung tatsächlich funktionieren könnte. Ein Modell, das allen Gelehrten verständlich sein wird.«
    »Wir wären nicht gotteslästerlich in unserer Globusmaschine. Die Augen der Welt, die sich auf Schloss Gottorf und auf unser Herzogtum richten werden, könnten das Sternentheater nicht missverstehen oder gar als Anmaßung verdammen.«
    Olearius atmete aus, der Herzog hatte verstanden.
    »Der Globus und die Sphaera Copernicana verkörpern in ihrer Verbundenheit gleichsam die Welt und das Universum. Beide führen sie den Betrachter an die großen astronomischen Fragen unserer Zeit heran – und damit an die Erkenntnis göttlicher Weisheit.«
    Der Herzog sprang auf, er raffte die Blätter, Skizzen und Zeichnungen zusammen, wog sie wie ein Kind in seinen Armen.
    »Wann könnt Ihr beginnen, Olearius?«
    »Wir müssten zunächst das Globushaus fertigstellen.«
    »Dann lasst die Maurer, Zimmerleute, Steinmetze und Tischler kommen!«
    Der Herzog griff nach Olearius Hand und legte diese auf sein Herz.
    »Noch schlägt es, mein Lieber. Noch will es voran. Aber wir müssen uns nun sputen. Die Zeit läuft uns davon.«
    Olearius nickte, er konnte nicht sprechen. Zart wie den Flügelschlag eines Schmetterlings spürte er den Herzschlag des Herzogs durch die dicken Stoff- und Papierschichten hindurch. Gerührt schoss ihm das Wasser in die Augen und um nicht in Tränen auszubrechen, drehte er sein Gesicht zur Seite und sah aus dem Fenster.
    »Es ist die Krönung meiner Regentschaft – und die Krönung Eures Lebenswerks.«
    Die Stimme des Herzogs brach, er drückte Olearius die Pläne in die Hand und wandte sich ab. Ohne ein weiteres Wort verließ er das Kabinett.
    Die Zeit läuft uns davon. Olearius rang noch immer um Fassung. Er ließ die Pläne auf einen Tisch fallen, trat ans Fenster und blickte hinaus. Im Garten vor dem Haus sah er seinen Sohn mit Caspar spielen. Als der Herzog mit seinem Gefolge aus dem Haus trat, hielten die beiden Knaben ehrfürchtig in ihrem Spiel inne. Olearius sah, dass der Herzog sich zu den Jungen hinabbeugte und ihnen über das Haar strich. Im nächsten Moment war sein Blick blind vor Tränen.
    Das Leben schritt voran. Und: Ja, sie mussten sich sputen.

VIER
    Ein Freudenfest – endlich, nach so vielen Jahren. Olearius hatte fast ein Jahr lang mit den Vorbereitungen und Planungen für das Festprogramm zugebracht, das die hochstehenden Gäste aus ganz Europa erfreuen sollte. In wenigen Wochen sollte nun

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