Der Sternengarten: Historischer Roman (German Edition)
Globushauses dienen.«
»Die beiden Kellergeschosse …«
Olearius nickte zustimmend.
»Sie sind notwendig, um der Globusmaschine Platz zu bieten. Denn die Wassermühle ist seine eigentliche Kraftquelle. Die Wasserzufuhr erfolgt durch eine Öffnung in der Ostwand des Gebäudes, die Kraft des Wasserrades wird mithilfe eiserner Wellen und mehrerer Getriebe vom Keller durch zwei Geschosse nach oben zum Globus übertragen.«
»Ein wahrlich beeindruckendes Konstrukt.«
Der Herzog fuhr mit seinen Fingern über die Ansicht des Globusgetriebes. Dank seiner Kenntnis von Uhrenwerken begriff er den Mechanismus schnell. Begierig verlangte er nach dem nächsten Blatt.
»Das Weltenbild, Olearius. Ich bitte Euch!«
»Ich brauche noch einige weitere erläuternde Vorbemerkungen.«
Olearius musste sich beherrschen, um sich nicht von der herzoglichen Ungeduld anstecken zu lassen. Wenn er dem Fürsten die Genialität seines Globusplans verdeutlichen wollte, musste er mit Bedacht vorgehen. Als nächstes legte er ihm einen Plan der Außenhaut vor.
»Der Globus zeigt also auf seiner Außenfläche die ganze uns bekannte Welt. Die Länder sollen sich farbig unterscheiden, ich denke sie mir mit den jeweils typischen Tieren bevölkert. Auf den Meeren könnte man etwa Schiffsflotten und Seeungeheuer sehen. Das Gradnetz auf dem Globus ist so fein wie auf gedruckten Karten ausgeführt, die Beschriftung in lateinischer Sprache.«
Die nächste Skizze, ein Schnitt durch die Globuskugel.
»Der gesamte Globus gliedert sich in vier wesentliche Konstruktionsbereiche. Hier seht Ihr die Kugelschale, also das Modell der Erdoberfläche und die Imitation des Sternenhimmels, die Innenkonstruktion mit Achse, Sitzbank, Tisch und den innen dargestellten Bewegungsabläufen, die Horizontgalerie mit Leiter, Lauffläche, Skala und Meridianring und den Antriebsmechanismus mit dem Getriebe, Wasserrad und Grundwerk. Der Globus ist also, wie soll ich sagen, zweifach – Erd- und Himmelsglobus in einem. Tatsächlich ist er jedoch nur von außen betrachtet ein Globus im herkömmlichen Sinne. Eine Kugel, welche die Oberflächengestalt der Erde modellhaft und maßstäblich richtig darstellt.«
»Dann kommen wir nun zu seinem Innenleben?«
»Ihr habt recht, Durchlaucht. Nun kommen wir zu seinem Herz – und der eigentlichen Sensation, wie ich meine.«
Mit zitternden Fingern wies der Gelehrte auf das nächste Blatt.
»Von innen betrachtet, haben wir es eigentlich nicht mehr mit einem gewöhnlichen Himmelsglobus zu tun, sondern …«
Noch eine kurze Pause, Olearius sammelte sich. Schweiß trat ihm auf die Stirn, gern hätte er ein Fenster geöffnet, doch er wagte nicht, die Demonstration zu unterbrechen.
»Die Innenfläche der Kugelschale imitiert das gestirnte Himmelsgewölbe. Die Erde steht unbeweglich in der Mitte des Universums und alle Gestirne vollführen ihre Bewegungen um die Erde. Damit besitzt der Globus die Funktion eines Welten- und Sternentheaters, das die Bewegung der Sterne so darstellt, wie sie der Betrachter von der Erde aus wirklich sieht. Während die Kugelschale langsam um den Betrachter rotiert, kann er den täglichen Auf- und Untergang der Fixsterne und der Sonne verfolgen. Im Globus sind alle bekannten Sterne, also mehr als eintausend Fixsterne, zu sehen. Die Sterne selbst sollen durch silbervergoldete Nägel dargestellt werden, die man in der hölzernen Unterkonstruktion befestigt. Gleichzeitig vollführt die Sonne, die durch einen Kristall verkörpert wird, ihre scheinbare Jahresbewegung auf ihrer Bahn, um die unterschiedlichen Sonnenhöhen und Tageslängen im Jahr zu demonstrieren.« Olearius atmete erschöpft aus. »Das Modell scheint Gottes Odem zu verströmen«, endete er.
Der Herzog zog die Augenbrauen in die Höhe, für einen Moment wirkte er enttäuscht.
»Das ptolemäische Weltsystem, also. Ich dachte, die Wissenschaft neigt sich nunmehr dem kopernikanischen, wenigstens jedoch dem tychonischen System zu. Hat nicht Tycho Brahe bewiesen, dass zwar die Sonne um die Erde läuft, die Planeten sich jedoch um die Sonne bewegen? Damit ist die Erde zwar unbeweglich, aber der Fixsternhimmel rotiert an einem Tag um die Erde.«
Olearius nickte bedächtig, er wusste, dass es nun auf jedes Wort ankäme. Ein falscher Satz nur, eine dem Herzog unverständliche These – und sein Globusplan, sein jahrelanges Grübeln und Rechnen, wäre zum Scheitern verurteilt. Wie sollte er Herzog Friedrich erklären, dass er zwar zum kopernikanischem
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