Der Sternengarten: Historischer Roman (German Edition)
zwei Männer, die versuchten, in Richtung des Tümpels zu entkommen. Den ersten erwischte er schon nach wenigen Galoppsprüngen im unteren Drittel des Hügels und ein Stich von hinten zwischen die Rippen setzte seinem Leben ein Ende. Mit einem erstickten Schrei sank der Mann auf die Knie, bevor sein Kopf auf die Erde sackte. Blut überzog das Heidekraut und sickerte in das Erdreich.
Der zweite Treiber war geschickter, er schlug Haken und für einen Moment kam es Rantzau so vor, als ob er Wild in den väterlichen Wäldern hetzte. Das Jagdfieber packte ihn und die Aufregung durchfuhr in wilden Schüben seinen Körper. Am Fuß des Hügels hatte er den Flüchtenden gestellt. Christian Rantzau sprang vom Pferd und verletzte den Treiber mit einem Hieb an der Schulter. Entsetzt drehte der Schmuggler sich um. Das Gesicht des Mannes war von Todesangst verzerrt. »Bitte …«, keuchte er, »bitte, Herr … meine Kinder.« Er sank auf die Knie und umklammerte seine Stiefel.
»Pack!« Von Ekel und der Lust zu töten getrieben, stieß Rantzau den Mann von sich. Er hob den Degen und ohne Mitleid durchstieß er ihm die Kehle. Es dauerte einige Minuten, bis der Körper des Treibers zur Ruhe kam. Die Arme und Beine des Sterbenden zuckten, eine endlose Kette wirrer Worte entströmte seinem Mund. Zuletzt meinte er sogar, seinen Namen von den Lippen des Mannes ablesen zu können. Ein heißer Schauer erfasste seinen Körper und plötzlich fühlte er sich schuldig und wie ertappt.
Er hat mich erkannt, dachte Christian Rantzau. Er hat mich erkannt. Er nimmt meinen Namen mit sich in die Hölle. Erschrocken rollte er den Mann mit den Stiefelspitzen auf den Bauch, damit er seinen anklagenden Blick nicht länger ertragen musste.
Zurück auf dem Hügel sah er, dass seine Männer ebenso erfolgreich gewesen waren wie er. Sechs weitere Treiber lagen in ihrem Blut, das Töten war fast lautlos geschehen. Nun machten sich seine Leute daran, die Ochsen zusammenzutreiben. Sie würden mit der Herde nach Schleswig ziehen und dort behaupten, dass sie die Tiere einer Bande marodierender Söldner abgenommen hatten. Die Leichen der Viehtreiber jedoch sollten auf der Heide zu Staub zerfallen. Wenn Reisende zufällig auf die verwesenden Körper stießen, würden die Toten ihnen abschreckende Mahnung sein: Dies ist kein Ort, an dem rechtschaffene Leute sicher sein können!
Christian Rantzau stutzte. Plötzlich nahm ein teuflischer Gedanke Gestalt in seinem Kopf an. Warum nicht Unruhe in den Herzogtümern schüren, dachte er. Warum nicht noch mehr Überfälle auf Händler und Kaufleute inszenieren, um Furcht und Schrecken auf den Handelswegen zu verbreiten? König und Herzog mussten die Sicherheit ihrer Bürger garantieren können, sonst begehrten die Menschen gegen die Steuern und Zölle auf. Und ein Staat, der im Chaos zu versinken drohte, bedürfte doch einer starken Hand? Die Beamten und Gelehrten würden ihren Herrschern dabei nicht helfen können, man müsste die Ritter als ordnende Macht zur Hilfe rufen. Wieder einmal … Der Adel könnte zu altem Glanz zurückfinden.
Ein großartiger Plan! Zufrieden leckte Rantzau sich über die Lippen. Weich und rund wie ein Schluck Wein lag der Geschmack künftiger Siege auf seiner Zunge. Wie leicht das Töten gewesen war. Um wie viel verlockender also wäre die Hatz erst, wenn es dabei um den Ruhm seines Standes und nicht nur um die eigene Macht ginge? Lächelnd beobachtete er, wie seine Männer die trägen Ochsen unter lautem Rufen und Peitschenknallen antrieben. Schwerfällig setzte der Tross sich in Richtung Schleswig in Bewegung. Ein letzter Blick zurück auf das Schlachtfeld, dann gab auch Christian Rantzau seinem Pferd die Sporen und verließ den Hügel.
SIEBEN
Die Männer hatten sich nicht wehren können. Fassungslos starrte Christian auf das Bild, das sich ihm bot. Niedergemetzelt und mit seltsam verdrehten Körpern lagen die Treiber in ihrem Blut. Er sah Hannes, Peter und Jörgen, die Augen aufgerissen, Entsetzen in ihren Blicken. Noch immer sickerte Blut aus ihren Wunden und Christian bemerkte, dass die Männer auf der Flucht feige von hinten niedergestochen worden waren. Süßlich drang der Geruch des Todes durch die Nase in sein Bewusstsein vor und er würgte und erbrach Galle.
Sie waren alle tot. Alle? Wo war sein Vater? Wo waren die Ochsen?
Schreiend und schluchzend stolperte Christian den Hügel hinab, die Hufspuren der Tiere zeigten nach Nordost.
Am Fuß des Hügels sah er den Körper seines
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