Der Sternengarten: Historischer Roman (German Edition)
und Polen rasseln wieder mit den Säbeln«, hatte Olearius Sophie auf dem Rückweg vom Globushaus erklärt, als sie ihn zu den Hintergründen der herzoglichen Melancholie befragt hatte. »Es wird wohl einen zweiten Nordischen Krieg geben. Nachdem Königin Christina von Schweden abgedankt hatte, meldete der polnische König, ein Urenkel des schwedischen Königs Gustav I. und letzte lebende Wasa, Ansprüche auf den schwedischen Thron an. Der schwedische König Karl Gustav versammelt bereits seine Truppen, er will endlich die Vorherrschaft im Baltikum klären und den Rivalen in die Schranken weisen.«
»Und Herzog Friedrich?« Sophie dachte an die noch junge, aber enge Bindung Gottorfs an Schweden. »Wird er sich neutral verhalten können?«
Olearius hatte bedächtig den Kopf gewiegt. »Wenn Dänemark sich ruhig verhält, könnte man das Schlimmste verhindern. Aber viele befürchten, dass der Konflikt die Dänen ermutigt, ebenfalls aufzurüsten. Wenn die Schweden im Osten gebunden sind, wird der dänische König wohl jede Chance nutzen, die alten, dänischen Gebiete zurückzuerobern. Er hat die Schmach von Münster noch nicht vergessen.«
»Und die Herzogtümer werden als Aufmarschplatz eine wichtige Rolle in den Kriegsvorbereitungen spielen.« Sophie hatte verstanden, wieder würden Truppen durch Schleswig und Holstein ziehen und das Land verheeren.
»Herzog Friedrich wird in Kopenhagen auf die Anerkennung der Gottorfer Neutralität pochen«, war Olearius fortgefahren. »Andererseits werden die Schweden Geld für Truppenwerbung vom Herzog einfordern. Außerdem werden sie ihn drängen, Schweden bei der bevorstehenden Auseinandersetzung zu unterstützen. Und so gerät der zerbrechliche Frieden in den Herzogtümern ins Wanken.«
»Wann?« Mit bangem Herzen hatte Sophie an ihre Lieben gedacht. Würden die Auseinandersetzungen wenigstens Schleswig und Schloss Gottorf verschonen?
Olearius hatte mit den Schultern gezuckt, er wusste es nicht. »Sobald Dänemark den ersten Schritt macht, werden die Schweden reagieren. Und wenn sie die Dänen von Süden her angreifen, sind wir unmittelbar betroffen. Der Herzog wird sich dann wohl in Sicherheit bringen müssen. Wir alle werden uns in Sicherheit bringen müssen.« Tröstend hatte Olearius sie in seine Arme geschlossen. »Unser Leben ist in Gottes Hand, Sophie – immer und überall.«
Olearius’ Worte waren Sophie nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Und während sie ihre Arbeit am Globus wiederaufnahm und den Malern aus Husum zur Hand ging, die damit begonnen hatten, Farbe auf die Weltkugel aufzutragen, dachte sie über ihr Leben nach. Darüber, was sie nicht missen wollte und darüber, was sie tief in ihrem Inneren verschlossen hielt.
Es dauerte eine Weile, bis sie erkannt hatte, was sie so lange Zeit nicht hatte sehen wollen. Bis sie begriff, dass sie die Türen zu allem, was ihr widerfahren war, nicht länger verschlossen halten konnte. Sie hatte sich über die Globuskugel gebeugt und ein zähnefletschendes Meeresungeheuer in flirrend-leuchtendem Grün ausgemalt, als ihr Ritter Rantzaus Gesicht vor Augen getreten war und gleich darauf Farid, der dem Ungeheuer die Stirn bot.
»Ich muss mich ihm endlich erklären«, hatte sie leise vor sich hingemurmelt, während sie auf das fremde Meeresgetier starrte. Und noch am selben Abend hatte sie begonnen, sich in einem langen Brief an Farid alles, was sie ihm nie hatte erzählen können, von der Seele zu schreiben. Nie mehr wollte sie sich der Gewalt eines Mannes beugen. Nie mehr wollte sie schweigen.
Sie schrieb die Nacht durch, wie im Rausch. Und Bösch, der Sophie seit ihrer Genesung mit geduldiger Zurückhaltung begegnete, ließ sie gewähren. Als sie im Morgengrauen erschöpft an seine Seite kroch, nahm er sie in seine Arme, doch er fragte nicht, welchen Dämon sie mit Feder und Tinte bekämpft hatte.
»Schlaf«, murmelte er und hielt sie wie ein Kind. Seine Liebe war innig und geduldig, niemals hätte er sie bedrängt.
Am nächsten Morgen suchte Sophie Meister Friedrichs in seiner Werkstatt auf. Der Gartenmeister war allein, auf einem Arbeitstisch stapelten sich Pflanzpläne und Blumenzwiebeln, sein Gottorfer Werk war noch nicht vollendet, auch wenn sich der Terrassengarten hinter dem Schloss inzwischen als Kunstwerk präsentierte. Besucher rühmten die sich nach oben hin verjüngenden Terrassen als das Beste, was die italienische Gartenkunst im Norden je vollbracht hatte. Und der mit mehr als eintausend verschiedenen
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