Der Sternengarten: Historischer Roman (German Edition)
auf und drosch mit der Peitsche auf die Flammen ein, dass die Funken stoben. Die winzigen, glühenden Holzstückchen sprühten wie zuckende Mückenleiber durch die Dunkelheit.
Rantzau erinnerte sich genau, dass er den Sporn auf der Versammlung noch getragen hatte. Während seiner Rede hatte er an sich hinabgeblickt und das goldene Zeichen seiner Ritterwürde hatte ihn mit stolzer Zuversicht erfüllt. Wann hatte er den Sporn also verloren? Doch nicht etwa auf der Heide, wo sie die Schmuggler aufgerieben hatten?
Christian Rantzau – leuchtend, wie ein Strahl flüssigen Goldes, sprang ihm sein Name entgegen. Seine verfluchte Eitelkeit hatte ihn dazu getrieben, diesen und dazu noch das Wappen seiner Familie in den Bügel eingravieren zu lassen. Wieder drosch Rantzau auf das Feuer ein. Es half nichts, sie würden am frühen Morgen umkehren und nach dem Sporn suchen müssen. Er konnte nicht riskieren, dass der Beweis seiner Schuld neben den Toten auf Entdeckung wartete.
Fluchend bellte Rantzau den Männern seine Befehle zu. Er wollte noch vor dem Morgengrauen aufbrechen und auf die Heide zurückkehren. Schnell rechnete er nach: Mit einem scharfen Ritt und etwas Glück könnten sie trotzdem rechtzeitig auf Schloss Gottorf eintreffen. Der Herzog erwartete die Ritter erst für den frühen Nachmittag zu seinem Fest.
Etwas ruhiger ließ er sich wieder am Feuer nieder. Die Männer hatten Fleisch gebraten und der köstliche Duft wehte ihn an. Hungrig ließ er sich ein Stück aus der Keule schneiden, das er hastig hinunterschlang. Dann überließ er sich den Wonnen des Rotweins, den er stets in einer Satteltasche mit sich führte.
In der Nacht hatte Christian Rantzau einen merkwürdigen Traum. Der Himmel stand schwarz über der Heide, und er ritt allein auf sandigen Pfaden, als plötzlich gesichtslose Gestalten auf ihn zustürmten. Er wollte sich wehren, seinen Degen ziehen, doch an seinem Gürtel hing statt der Waffe nur ein Kruzifix. Entsetzt hielt er das Kreuz in die Höhe und schloss die Augen. Vor Angst klapperten seine Zähne und die Übelkeit schlug Wellen in seinem Magen. Dann hörte er eine sanfte Stimme.
Als er die Augen öffnete, schwebte die Jungfrau Maria über dem Feld. Sie lächelte ihn an, verführerischer als jede Kokotte, und schlug ihren leuchtenden Umhang auseinander. Unter ihrem Kleid war sie nackt: Forsch reckten sich ihm ihre blassen Brüste mit den roten Spitzen entgegen und ihre Scham war von moosgrünen Flechten bedeckt. Seine Übelkeit schlug in schmerzendes Verlangen um, und er bemerkte, wie die Lust durch seinen Körper raste. Stöhnend wollte er sich in seinen Steigbügeln aufrichten, die Hand nach diesem wunderbaren Bild ausstrecken, doch sein Pferd scheute und bäumte sich auf. Das Kruzifix fiel ihm aus den Händen und die Hufe des Pferdes zermalmten es zu Staub. Im selben Moment begann das Fleisch der Jungfrau zu faulen, Maden krochen daraus hervor und schließlich zerstob das Traumbild zu einer Höllenvision.
Schreiend wachte Rantzau auf. Was hatte dieser Traum zu bedeuten? Für einen Moment hatte das Mariengesicht Ähnlichkeit mit seiner toten Mutter gehabt. Dorothea von Brokdorff, die zweite Ehefrau seines Vaters, war qualvoll an den Blattern gestorben. Auch Christian selbst war damals schwer krank gewesen, doch während ihm lediglich einige Narben auf der Brust geblieben waren, hatte die Mutter den dritten Fiebertag nicht überlebt. Die Krankheit hatte das Gesicht der schönen Frau entstellt und in eine eiternde Fratze verwandelt. Er hatte ihren Anblick nie vergessen können.
Die Geräusche der Nacht bedrängten ihn, das Flüstern der Bäume und die Laute irgendwelcher Tiere ließen ihn nicht mehr zur Ruhe kommen. Fröstelnd kroch er zwischen seine Männer und näher an die Glut des Feuers heran, wo er mit offenen Augen auf das Ende der Nacht wartete. Als der frühe Morgen heraufdämmerte, fühlte er sich wie zerschlagen. Alle Glieder schmerzten und die Zunge klebte wie ein pelziger Lappen an seinem Gaumen. Nur mühsam schwang er sich auf sein Pferd, und die erstaunten Blicke seiner Männer, denen er sich schutzlos ausgesetzt fühlte, ärgerten ihn. Barsch stellte er zwei Reiter zur Bewachung der Ochsen ab, dann gab er das Kommando, wieder nach Süden zu reiten.
Sie waren bereits ein gutes Stück vorangekommen, als Rantzau eine Gestalt auf der Heide bemerkte. Ein Wanderer oder Pilger, der ihnen entgegenkam? Irgendetwas an diesem Wesen, das im Gegenlicht wie von innen heraus zu
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