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Der Sternengarten: Historischer Roman (German Edition)

Der Sternengarten: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Sternengarten: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Burseg
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sich, die Taschen der übrigen Toten nicht durchsucht zu haben. Vielleicht wären ihm noch ein Kanten Brot oder, besser noch, einige Taler in die Hände gefallen.
    Der Junge wusste, dass er noch zwei oder drei Stunden würde laufen müssen, bis er Schleswig erreichte. Vor den Toren der Stadt gab es jedoch einen Gasthof und bei dem Gedanken an eine Schale mit Grütze oder einen kräftigen Eintopf lief ihm das Wasser im Mund zusammen. Sollte er umdrehen und noch einmal suchen? Unschlüssig verharrte er einige Minuten – unfähig sich zu entscheiden. Doch das Verlangen, von dem schrecklichen Ort fortzukommen, war stärker als sein schmerzender Magen. Seufzend setzte er seinen Weg fort und bald schlurften die Füße in eintönigem Trott über den staubigen Weg.
    Christian war etwa eine Stunde in Richtung Schleswig marschiert, als er Reiter am Horizont bemerkte. Sofort war die Angst wieder da. Er stolperte vom Weg herunter und schlug sich ins Gebüsch. Er war sich sicher, dass die Reiter ihn noch nicht gesehen hatten. Vorsichtig lief er weiter, den Pfad im Blick. Nach einer Weile hörte er das bedrohliche Geräusch von Pferdehufen näherkommen, regungslos kauerte er sich auf die Erde.
    Die Häscher des Herzogs! Der Junge erkannte die Stimme sofort. Wie ein Peitschenhieb drosch sie auf ihn ein und wieder verwandelte sich sein Körper in eine hilflos zitternde, panische Kreatur.
    »Es muss sich hier irgendwo verstecken«, dröhnten die Worte des Anführers in seinen Ohren. »Bringt mir dieses Wesen!«
    Wieder schlug Christian die Hände vors Gesicht. Und obwohl inzwischen jedes Vertrauen an einen barmherzigen Gott in ihm verschwunden war, betete er, dass man ihn nicht finden möge. »Der Herr ist mein Hirte«, murmelte er tonlos, und die Herde der Ochsen, die sich ihm vertrauensvoll untergeordnet hatte, kam ihm in den Sinn. »Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich.«
    Doch die Reiter kamen immer näher. Christian hatte sich wie ein Igel zusammengerollt und den Kopf schützend in die Arme gebettet, als sie sein Versteck entdeckten. Feixend und johlend drückten sie die Zweige zur Seite und packten ihn an Armen und Beinen. Starr vor Angst lieferte Christian sich den Männern aus. Und in einer gewaltigen Anstrengung schluckte er den Schrei herunter, der in seiner Kehle saß.

    Es dauerte nur wenige Minuten, bis seine Reiter das Wesen gestellt hatten. Triumphierend zerrten sie die Kreatur aus dem Gebüsch. Was, um Himmels willen, hatte sich da vor ihnen verborgen? Auf den ersten Blick schien das Geschöpf nicht von dieser Welt zu sein: Von Kopf bis Fuß war es von Staub überzogen, die Haare standen ihm zu Berge und winselnd verbarg es sein Gesicht in den Händen.
    Ein Wilder, schoss es Christian Rantzau durch den Kopf. Eine jener mythischen Gestalten, die durch Sagen und Märchen geisterten und von denen die Alten erzählten. Manche behaupteten, sie wären einem dieser Kobolde schon einmal auf der Jagd oder in den Mooren begegnet. »Sie leben wie Tiere und können nicht sprechen«, echoten die Stimmen in seinem Kopf. »Sie haben keinen Begriff von unserer Welt.«
    Rantzau hielt den Atem an und winkte die Männer näher zu sich heran. Vorsichtig, um die Kreatur nicht mit einer unbedachten Bewegung zu erschrecken, glitt er vom Pferd und näherte sich dem wimmernden Bündel, das wie ein nasser Sack zwischen den Armen der Männer hing.
    »Wer bist du?«, fragte er, doch er erwartete keine Antwort. Rantzau sah, dass es sich tatsächlich um ein menschliches Wesen handelte – ein Kind, über und über mit Asche gepudert. Blaue Augen blitzten zwischen hellen Wimpern hervor. Kleidung, Hemd und Hose, war vorhanden – einfach, zerschlissen und ebenfalls von Staub bedeckt. An einem Strick hing eine Flasche mit weißem Pulver darin. Er wollte danach greifen, aber das Kind begann zu zappeln, mit den Zähnen zu fletschen und nach seiner Hand zu schnappen. Erschrocken ließen die Männer es zu Boden fallen.
    Die Flasche zerbrach, und unter ohrenbetäubendem Geheul stürzte das Kind sich auf die Scherben und versuchte, sich den Staub in die Hosentaschen zu schaufeln, als handele es sich um einen kostbaren Schatz. Ratlos wechselte Rantzau einen Blick mit seinen Männern.
    »Es muss verrückt sein«, meinte einer und trat nach dem Kind, das sich nun wieder wimmernd zusammengerollt hatte.
    »Seine Familie wird es auf der Heide ausgesetzt haben«, nickte

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