Der Sternengarten: Historischer Roman (German Edition)
am Hang, die Skulpturen und Ornamente … So etwas habe ich noch nie gesehen.«
Sie bewunderte das rechteckige Wasserbecken und das davorliegende halbrunde Parterre mit seinen Zierblumen. Von oben betrachtet bildeten die Pflanzen farbige Muster, sie glichen einem kostbaren Teppich mit aufwändiger Stickerei.
Olearius nickte, zog sie an sich und roch an ihrem Haar, das kaskadenartig über ihre Schultern floss. Die Erinnerung an einen köstlichen Moment der vergangenen Nacht kam ihm in den Sinn, und ein Schauer lief seinen Rücken hinab. »Meister Friedrichs hat sein Handwerk in Italien erlernt. Es heißt, er habe die Gartenanlagen der berühmtesten Familien in Florenz und Rom studiert. In Herzog Friedrich hat er einen kunstsinnigen Förderer gefunden und die Idee des Terrassengartens auch im hohen Norden eingeführt.«
Tatsächlich, so dachte Olearius, war der Herzog auf dem besten Wege, Gottorf in eine prachtvolle Residenz zu verwandeln. Der Garten nördlich vom Schloss war das jüngste Wunderwerk in einer Reihe von außergewöhnlichen Taten und Errungenschaften. Auch die Persische Expedition hätte sich wie eine exotische Perle dort einfügen sollen. Ein Jammer, das alles so schändlich geendet hatte. Gedankenverloren strich er über das dunkel glänzende Haar seiner jungen Frau.
Nun aber schien Herzog Friedrich sich ganz auf die kostspielige und herausfordernde Anlage des Terrassengartens konzentrieren zu wollen. Olearius sah, wie der Herzog und sein Kanzler auf ein Podest zustrebten, das vor einem achteckigen Pavillon im Zentrum des Parterres aufgebaut worden war. Auch die fürstliche Familie, Herzogin Maria Elisabeth und die fünf Kinder, folgte ihnen. Von dort aus hatte die Herrscherfamilie den besten Blick auf die Statue, die künftig das Wasserbecken schmücken sollte. Noch war sie von einem riesigen Tuch verhüllt, doch in wenigen Augenblicken, auf dem Höhepunkt des Festes, würde man den Gästen das Kunstwerk präsentieren.
Olearius wartete und beobachtete das Spektakel. Seine Augen huschten von Gesicht zu Gesicht, seine Gedanken von der Gegenwart in die Vergangenheit. Die Gartenkunst war keine neue Errungenschaft am Gottorfer Fürstenhof. Schon unter dem alten Herzog Adolf war der Westergarten entstanden, der nun als Küchengarten diente. Er lag auf dem ebenen Festland am Südufer des Schlossgrabens, hohe Bäume und ein Lusthaus schmückten ihn.
Später hatte sein Enkel, Herzog Friedrich, am gegenüberliegenden Ufer der Schlei ein zweites Gelände anlegen lassen – den Alten Garten. Eine breite Mittelachse durchzog den Park von West nach Ost und eine Pforte zur Schlei öffnete den Zugang zum Anlegeplatz der herzoglichen Lustschiffe. Ulmenreihen mit Hecken friedeten den Garten ein, Hermenpfeiler und zwei große Sandsteinbrunnen waren sein Schmuck.
Nun war der erste Teil des Terrassengartens noch hinzugekommen. Die jüngste fürstliche Gartenschöpfung am Schloss, darum auch Neues Werk genannt, erstreckte sich auf dem bewaldeten, ansteigenden Gelände des Wildgeheges im Norden. Der Garten war durch eine Brücke und einen mit Ulmen bepflanzten Damm mit dem Schloss verbunden worden. Die drei Gärten hatten die alte Festung Gottorf in einen Ort der Kunst und Kultur verwandelt.
Olearius hatte gehört, dass der Ausbau des Neuen Werks in zwei Schritten erfolgen sollte. Der erste Abschnitt erstreckte sich vor ihm auf dem unteren Teil des Geländes und war mit der Enthüllung der riesigen Statue vollendet. Der Lustgarten spiegelte das Bestreben des Fürsten wider, die wilde ungezügelte Natur einer vernünftigen Ordnung zu unterwerfen. Doch was plante der Herzog noch?
Olearius beobachtete, wie Friedrich III . umständlich auf dem festlich geschmückten Podest Platz nahm. Die Szene erinnerte ihn an die gestrige Hinrichtung und doch war heute alles anders. Als hätte die Welt sich auf den Kopf gestellt! Noch am Vortag hatte jeder Moment im Zeichen des Scheiterns gestanden, der heutige Tag jedoch versprach Aufbruch und höfischen Glanz. Mit ausholenden Gesten wies der Herzog seinen Gästen ihre Plätze zu. Fasziniert sah Olearius, wie die Ritter der Herzogtümer links und rechts des Podestes aufmarschierten.
»Es geht los!« Ein Raunen schwappte durch die Reihen der Gäste.
Aufgeregt schob Olearius seine Frau nach vorn, damit sie besser sehen konnte. Von den Enden des Wasserbeckens, die vier mit Muscheln und Schnecken verzierte Fontänen schmückten, lösten sich Ruderboote. Darin saßen Gärtnerburschen,
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