Der Sternengott
den Atem an und kletterte die Metalleiter empor. Die Sprossen fühlten sich kalt an. Der Wind fuhr über seinen kahlgeschorenen Kopf, und plötzlich machte sich auch der bittere Kaffeegeschmack wieder bemerkbar.
Er legte den Umhang ab und legte sich zögernd auf die hellrote Membrane, die die geöffnete Fruchthälfte bedeckte. Die Membrane bewegte sich unter ihm, warm und angenehm, und paßte sich seinen Körperformen an.
»Fertig, Sir?«
Er gab keine Antwort auf diese fröhliche Frage, und der Techtnant schien auch gar keine zu erwarten. Im nächsten Augenblick zischten erneut die Ventile, und die obere Hälfte der Birne schloß sich über ihm.
Sanfte Bewegungen der Membrane brachten ihn in die richtige Lage. Völlige Dunkelheit umfing ihn mit heißem, erstickendem Griff.
Er versuchte zu schreien, hatte jedoch keine Luft ...
Doch dann gab es plötzlich Luft für seine Lungen. Er sah einen rosa Lichtschimmer durch seine geschlossenen Augenlider.
Er öffnete die Augen und erblickte Schwester Delta Vier.
Zuerst hielt er sie für ein Trugbild, doch sie sah überraschend wirklich aus. Er wußte, daß es sich um eine Täuschung handeln mußte, denn Julie konnte unmöglich hier sein. Wie sollte sie außerdem zu ihm in diese Maschine kommen?
Plötzlich schritt er neben ihr.
Der Trainer ließ jede Empfindung für ihn zur Wirklichkeit werden – die harte, kalte Nachgiebigkeit des Sandes, die kitzelnde Hitze der hochstehenden Sonne, die kalte, vom Ozean hereinwehende Brise. Er hörte das eintönige Rauschen der Brandung, die auf dem Strand auslief, und dann roch er Julies Parfüm, und er hörte ihre vertraute Stimme.
»Jetzt beginnt deine erste Lehrstunde mit dem Mark-Acht-Schulungsgerät. Dieser Apparat ist eine völlige Neuentwicklung im Hinblick auf erzieherische Wirksamkeit. Wenn du dich zur Mitarbeit bereitfindest, wird das nur zu deinem Vorteil sein.«
Ihr Gesicht lächelte ihn an, und die dunkle Haube störte dabei kaum.
»Jetzt«, sagte sie, »sind wir für deine erste Unterweisung bereit. Unser Thema ist das grundlegende Vokabular des Mechanesischen. Der Aufbau dieser Sprache wird in überwiegendem Maße von rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten bestimmt – eine Silbe für einen Satz.
Daraus folgert, daß es eine sehr große Anzahl von Silben geben muß. Das Gesamtvokabular des Mechanesischen, soweit wir es gespeichert haben, beläuft sich auf mehr als eine Milliarde Einzelsilben – auf mehr als eine Milliarde Sätze, die jeweils nur aus einem einzigen Ton bestehen. Das als Vorbemerkung.«
Er blieb stehen – oder so schien es ihm jedenfalls. Die Elektroden des Trainers ließen ihn vergessen, wo er sich wirklich befand ... Kaltes Wasser rann über seine Füße, wich über den flachen Strand zurück.
»Das ist unmöglich!« protestierte er. »Ich kann unmöglich eine Milliarde Worte lernen.«
Sie lachte leise.
»Du würdest überrascht sein.« Ihre Stimme klang wie eine Melodie, auch wenn sie in der normalen Sprache sprach. »Du wirst überrascht sein, was der Trainer alles möglich macht.«
Der Wind bewegte ihre schwarze Kapuze, und einen kurzen Augenblick wurde die leuchtende Metallplatte auf ihrer Stirn sichtbar. Trotz der milden tropischen Temperatur überlief ihn ein kalter Schauer.
»Du brauchst in Wirklichkeit natürlich keine Milliarde Worte im Kopf zu behalten«, fuhr sie fort, »ebensowenig wie ein Kind jeden möglichen Satz der englischen Sprache auswendig lernen muß. Du brauchst nur zu lernen, wie die Silben der mechanesischen Sprache aus einigen tausend Grundtönen zusammengesetzt werden. Du mußt die Unterschiede in Tonlänge, Betonung und Tonhöhe zu kombinieren wissen und weitere Artikulationsprobleme meistern.«
»Aber ich kann es nicht!« Er blieb stehen und wartete darauf, daß sie sich umdrehte.
Er wollte einfach nicht lernen. Er versuchte sich unwillkürlich vor den kalten Elektroden zu schützen, die man eines Tages in sein Gehirn pflanzen würde, wenn er das Mechanesische zur Genüge beherrschte.
»Ich kann es einfach nicht lernen, mich in einer Sprache verständlich zu machen, die eine Milliarde Wörter hat.«
»Du wirst überrascht sein«, wiederholte sie und lachte. »Fangen wir an.«
Er schüttelte widerstrebend den Kopf und versuchte sich klar zu machen, daß der leuchtend weiße Sand ja eigentlich gar nicht wirklich war, daß auch die salzige Brise und vor allen Dingen Julie gar nicht existierten.
»Du darfst dich nicht sträuben«, sagte sie eindringlich.
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