Der Sternenhuter - Unter dem Weltenbaum 04
fehl am Platz
vor. Zum ersten Mal, seit Aschure es ihm überreicht hatte, fühlte er sich in dem rotgoldenen Gewand unwohl.
»Ihr werdet Euch hier nie behaglich fühlen, Axis,
mein Lieber«, verkündete eine ruhige Frauenstimme
neben ihm, »denn Eure Macht ist an die Sterne gebunden, während diese hier aus der Erde stammt. Von der
Mutter.«
Faraday trat langsam auf die Lichtung. Sie trug ein loses Gewand in changierenden Grün-, Rot- und Brauntönen. Das lange helle Haar floß ihr lose über die Schultern
bis auf den Rücken herab.
Axis konnte nur flüstern: »Faraday?« Den Awaren,
der doch dicht neben ihm stand, hatte er vollkommen
vergessen.
Faraday lächelte und legte ihm eine Hand auf den
Arm. »Wie lange ist es her, Axis? Zwanzig Monate? Auf
jeden Fall viel zu lange, mein Liebster. Aber wartet bitte,
ich muß erst Ramu begrüßen.«
Sie verließ ihn und legte die Arme um den Magier.
Drückte ihn, murmelte sanfte Worte, strich ihm über das
Gesicht, als wolle sie all seine Entstellungen fortwischen
und lachte und weinte gleichzeitig.
Der Krieger fand nun Gelegenheit, sie genauer zu betrachten. Seit ihrer letzten Begegnung hatte Faraday sich
sehr verändert. Sie wirkte nicht mehr wie das unschuldige, naive Mädchen, das ihm damals im Mondsaal von
König Priam ins Auge gefallen war. Auch erinnerte sie
nicht mehr an die wunderschöne, aber todtraurige junge
Braut an der Seite Bornhelds. Um ihre Augen zeigten
sich jetzt Schmerzlinien, an die Axis sich nicht erinnern
konnte, genausowenig wie an die Lachfältchen in ihren
Mundwinkeln. Erfahrung und Verantwortung hatten ihre
Spuren auf dem Gesicht der jungen Königin hinterlassen.
Würde auch diese Faraday Aschure als Geliebte hinnehmen?
Der Sternenmann verscheuchte diese Gedanken rasch
wieder. Faraday hatte ihm eben noch eindeutig bewiesen,
daß sie wie er die Gedanken anderer lesen konnte. Sie
mußte jetzt nicht auf diese Weise erfahren, wie es um ihn
und Aschure stand. Aber wie sollte er ihr das nur beibringen?
»Was runzelt Ihr die Stirn, Axis? Zum ersten Mal nach
zwei Jahren sehen wir uns wieder, und ich habe Euch zu
einem ganz besonderen Anlaß hergebeten. Diese nächtliche Stunde gehört zu den wenigen Gelegenheiten, bei
denen die Gehörnten Eure Gegenwart dulden und deswegen meinem Wunsch entsprochen haben. Schließlich
fühlt Ihr Euch Ramu fast ebenso verbunden wie ich.«
»Ihr habt mich hergerufen? Ihr habt mich in diesen
Traum versetzt?«
Faraday lächelte, hakte sich bei ihm unter, fand seine
Hand und verschränkte ihre und seine Finger ineinander.
»Dies ist die Wirklichkeit, Axis. Im Traum liegt Euer
Körper in seinem Zelt vor dem Wald der Schweigenden
Frau. Aber nun schweigt, denn wir beide sollen nur bezeugen. Fürs erste wenigstens.«
Ramu bewegte sich in seiner eigentümlichen Gangart
in die Mitte der Lichtung und stöhnte wieder, so als seien
die Schmerzen zurückgekehrt. Faraday schloß ihre Finger fester um die des Kriegers. Auf diese Weise wollte
sie ihn ermahnen, nur ja keinen Laut von sich zu geben.
Der Aware fiel jetzt auf die Knie, drehte den Kopf zur
Seite und hob die Hände mit bittender Geste.
Nichts regte sich im Hain – bis auf die Sterne droben
am Himmel und die beobachtenden Augen, die zwischen
den Stämmen hin und her huschten.
Ramu schrie, und Axis fuhr heftig zusammen. Seid
bitte still, flehten die Augen Faradays ihn an, ehe sich
ihre Aufmerksamkeit wieder auf den Magier richtete.
Entsetzliche Schmerzen schienen den Awaren zu überkommen, und er wälzte sich im Gras. Ein weiterer Schrei
zerriß die Stille des Hains und noch einer. Jetzt erkannte
der Krieger einen dunklen Fleck, der sich um den sich
windenden, verformten Leib ausbreitete. Blut! Der Krieger schüttelte sich, weil das Leiden des Magiers ihm so
nahe ging. Bei den Sternen! dachte er, Aschure hat recht.
Die Waldläufer predigten bei jeder Gelegenheit Gewaltlosigkeit, dabei wurden ihr Leben und ihre Kultur vor
allem aus der Gewalt geboren.
Aschure? fragte eine Stimme in seinem Kopf. Axis
fuhr schuldbewußt zusammen und verschloß seine Gedanken rasch wieder.
Das ist eine Frau, die eine Weile bei den Awaren gelebt hat. Heute dient sie als Bogenschützin in meiner
Armee.
Faraday lächelte. Also eine Bogenschützin.
Ramu stieß wieder einen Schrei aus. Dann hatte sie alle Klarheit verloren und klang nur noch wie ein gutturales Gurgeln. Das Blut breitete sich weiter um ihn aus.
Axis entdeckte, daß der Lebenssaft aus allen
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