Der Sternenhuter - Unter dem Weltenbaum 04
diesem Thron sitzt?«
Der Oberste Kriegsherr erhob sich etwas zu heftig und
wäre beinahe hingefallen. »Elende Hure! Wieviel von
dem Verrat, den ich erdulden mußte, habe ich Euch zu
verdanken? Wie viele habt Ihr in Euer Bett gelockt und
gegen mich aufgewiegelt? Wie oft habt Ihr mich mit
meinem Bruder betrogen?«
Faraday sah ihn voll Verachtung an. »Ich bin Euch
stets treu geblieben, Gemahl. Ihr mir nicht!«
Ohne seine Entgegnung abzuwarten, fuhr sie herum
und starrte Jayme an: »Ihr seid nur noch ein jämmerlicher alter Mann. Ihr und Euer Gott habt heute auf dem
Schlachtfeld genausoviel verloren wie Bornheld. Wußtet
Ihr, Bruderführer, daß ich einmal mit Inbrunst an Artor
geglaubt habe? Doch dann kam ich mit der Prophezeiung
in Berührung und lernte neue Götter kennen, mit neuer
Macht. Artor bedeutet mir heute nur noch so viel wie
mein Gatte, nämlich überhaupt nichts.«
Damit kehrte sie sich auf dem Absatz um und verließ
erhobenen Hauptes den Saal.
Jayme zitterte, aber nicht aus Zorn. Wieder sah er sich
vergebens nach Moryson um. Aber der Erste Berater und
Gilbert hatten sich in dem Moment verzogen, in dem
Bornhelds Niederlage offenkundig geworden war.
»Moryson?« murmelte der Bruderführer schwächlich
und spähte in alle Winkel. Ach, Artor, warum konnte
sein Freund nicht in dieser schwärzesten Stunde bei ihm
sein? »Was sollen wir jetzt nur tun?« Wieso wir? Was
wird aus mir? Ich bin jetzt ganz allein, habe nur diesen
betrunkenen Esel zur Gesellschaft, der nur noch König
sein darf, weil ihn bis jetzt niemand vom Thron gestoßen
hat.
Bornheld lächelte weinselig: »Was wir jetzt tun sollen,
Jayme? Natürlich noch einen trinken, du weiser Mann
Artors. Ich glaube, in dem Schränkchen dahinten an der
Wand werdet Ihr noch einen Krug finden.«
Draußen auf dem Gang verließ Faraday aller Mut, den sie
vorher gesammelt hatte, um den beiden Männern gegenüberzutreten. Axis würde bald hier auftauchen, in den
Mondsaal stürmen und Bornheld zum tödlichen Zweikampf herausfordern. Und wenn dieser Moment gekommen war, würde sich die furchtbare Vision erfüllen,
welche die Bäume im Wald der Schweigenden Frau ihr
vor langer Zeit offenbart hatten.
Auch wenn die junge Frau noch so sehr hoffte, daß der
Krieger siegte, auch wenn sie sich dringend wünschte,
die Bäume hätten ihr nur ein unvollkommenes, mißverständliches Zukunftsbild vorgegaukelt, griff sie sich
jetzt an den Busen und glaubte, Axis’ warmes Blut zu
spüren, das über ihre Brüste sprang.
»Gewinnt, Axis«, flüsterte sie. »Ihr müßt ihn besiegen!«
Die Nacht neigte sich ihrem Ende zu, und Rivkah wachte
immer noch über Axis, Aschure und Caelum, als ihr die
größte Sorge genommen wurde und Magariz unvermittelt
in den Feuerschein trat. Sie erhob sich gleich, drückte ihn
fest an sich, ließ ihn nicht mehr los und schluchzte hemmungslos.
Der Fürst, der ebenso erschöpft und bekümmert wirkte
wie Axis, sank neben der Feuerstelle nieder. Rivkah befreite ihn von seiner Rüstung, während er ihr langsam
und stockend den Verlauf der Schlacht schilderte. Irgendwann schlief er mitten im Satz ein. Rivkah bettete
ihn sanft etwas bequemer und deckte ihn zu.
Als sie sich schließlich wieder erhob, bemerkte sie eine große und dunkelhaarige Nor, die am Rand des Feuerscheins stand. Der eng zusammengezogene Umhang
bedeckte fast völlig ihr rotes Kleid. »Belial?« flüsterte sie
voller Furcht, und ihre blauen Augen blickten groß und
verängstigt drein.
Rivkah schüttelte den Kopf. »Ich habe noch nichts von
ihm gehört.«
»Ach«, seufzte das Mädchen da und wandte sich ab.
Axis’ Mutter sah ihr noch lange bekümmert hinterher.
Sie ließ sich wieder am Feuer nieder, wachte über die
Schlafenden und fühlte selbst Müdigkeit in sich aufsteigen. Dabei dachte sie über den Verlauf der Schlacht und
den Lauf der Welt nach. Die Männer kämpften, und die
Frauen warteten und weinten. Rivkah war es unendlich
müde, nie das zu bekommen, was sie sich wünschte. In
Gedanken schwor sie sich, das Leben und ihre Liebe
nicht noch einmal entkommen zu lassen. Sie würde die
ihr verbleibenden Jahre unter glücklicheren Umständen
verbringen als die bereits hinter sich gebrachten. Diesmal
sollte niemand, nicht einmal ihr Sohn, sie daran hindern,
sich mit dem Mann zusammenzutun, den sie liebte.
Schließlich rüttelte Rivkah Axis wach. Die zwei Stunden waren längst vorbei. Aber er war noch so benommen, daß er gleich wieder
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