Der Sternenhuter - Unter dem Weltenbaum 04
wünschte,
er wäre schon wieder zu Hause.
»Belial?« Axis lehnte sich kurz an den Freund. »Könnt
Ihr Euch um die Toten kümmern?« Eine undankbare
Aufgabe, aber sie mußte getan werden, und sie mußte
schnell getan werden.
Danach schnippte der Krieger mit den Fingern, und
der Page, der Belaguez hielt, führte den Hengst zu ihm.
Axis stieg sofort auf, ritt langsam über das Schlachtfeld
und hielt hier und da an, um mit einer Gruppe Soldaten
oder einem Verwundeten zu sprechen, der gerade davongetragen wurde. Er erspähte Arne, der am Rand Wachen
für die gefangengenommenen Kämpfer einteilte. Tausende hatten die Waffen gestreckt. Was sollte er nur mit
ihnen anfangen? Auch bei ihnen handelte es sich um
Achariten, meist brave Männer, die eigentlich keine
Schuld traf und die nur das Pech gehabt hatten, auf der
falschen Seite zu stehen.
Als der Krieger nach Osten ritt, befiel ihn große Niedergeschlagenheit. Seine Männer sammelten die Toten
ein und schichteten sie zu Hügeln. Es gab sehr viele solcher Hügel, und sie waren groß. Wie viele Tausend hatten heute ihr Leben gelassen?
Wo steckte eigentlich Aschure? ging es ihm plötzlich
durch den Sinn. Sein übermüdeter Geist spürte sie nirgends, und der Adler hatte sich bereits zum Schlafen
zurückgezogen. Während er ritt, wurde es langsam dunkel. Dennoch spähte er weiter durch die Dämmerung und
fragte jeden, der ihm begegnete, ob er die Schützin nicht
gesehen habe. Aber jedes Mal erhielt der Krieger nur ein
erschöpftes Kopfschütteln zur Antwort und ritt weiter,
bis er die Stelle erreichte, wo seine Armee in der vergan
genen Nacht gelagert hatte.
Rivkah hielt sich in seinem Feldherrenzelt auf und
trug den schlafenden Caelum auf dem Arm.
»Was ist mit Aschure?« fragte er sofort nervös und
ließ sich aus dem Sattel gleiten.
Seine Mutter deutete mit ihrem Kinn auf das Deckenbündel zu ihren Füßen. Axis kniete sich hin und deckte
Aschures Gesicht auf. Sie schlief tief und fest, ihre Haut
wirkte noch heller als sonst, und unter ihren Augen hatten sich dicke schwarze Ringe gebildet.
»Ihr fehlt doch hoffentlich nichts?« fragte er Rivkah,
während er der jungen Frau die Haare aus der Stirn
strich.
Seine Mutter dachte nach. Sollte sie ihm von Aschures
Schwangerschaft erzählen? Die Bogenschützin war erst
vor einer Stunde hier eingetroffen und vor Erschöpfung
zu ihren Füßen zusammengebrochen. Rivkah hatte einen
Soldaten hinzubitten müssen, um Aschure von dem Kettenhemd zu befreien und sie in die Decken zu packen.
Aschure hatte sich die ganze Zeit über nicht einmal geregt. Axis’ Mutter wußte, daß diese Schwangerschaft der
jungen Frau mehr Mühe bereitete als die erste. Sie fürchtete schon, daß Aschure nach all den Anstrengungen des
zurückliegenden Tages eine Fehlgeburt erleiden könnte.
Aber dann zuckte sie lediglich die Achseln. »Sie ist
nur vollkommen am Ende ihrer Kräfte. Aber sie wurde
nicht verwundet. Wahrscheinlich muß sie sich nur einmal
richtig ausschlafen.«
Der Krieger nahm ihr seinen Sohn ab.
»Er war den ganzen Tag wach«, erklärte ihm Rivkah,
»und hat nur gezappelt und geschrieen. Caelum wußte
wohl, daß seine beiden Eltern in der Schlacht standen
und wie erbittert um einen Sieg gerungen wurde. Der
junge Mann wollte weder etwas zu sich nehmen noch
sich trösten lassen, bis seine Mutter hereingestolpert
kam.«
Sie zögerte kurz. Durfte sie fragen? »Und was ist mit
Magariz? Geht es ihm gut?«
»Ich habe nichts von ihm gehört, Mutter«, antwortete
der Krieger einige Zeit später mit tonloser Stimme, »und
weiß nicht, ob er tot ist oder noch lebt. Genau genommen
weiß ich von den meisten meiner Offiziere nicht, was aus
ihnen geworden ist. Ihr werdet Euch wohl noch ein Weilchen gedulden müssen.«
Ein Diener erschien und half Axis dabei, Kettenhemd
und Gürtel abzulegen. Er reichte Rivkah das Kind zurück
und war froh, als der Diener seine Sachen forttrug. Dann
riß er sich buchstäblich das blut- und schweißgetränkte
Langhemd vom Leib und schleuderte es in eine Ecke.
Rivkah fielen natürlich sofort die vielen Wunden an
seiner Brust und an seinem Rücken auf. Aber sie sagte
nichts dazu. Diese Schnitte und Stiche sahen alle nicht
lebensbedrohlich aus und würden rasch verheilen. »Legt
Euch jetzt auch schlafen, mein Sohn. Ich werde über
Euch wachen. Ehe Ihr nicht etwas geruht habt, könnt Ihr
doch nichts mehr unternehmen.«
Axis wickelte sich in eine Decke und legte sich neben
Aschure. »Aber nur zwei Stunden, nicht länger«,
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