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Der Sternenhuter - Unter dem Weltenbaum 04

Der Sternenhuter - Unter dem Weltenbaum 04

Titel: Der Sternenhuter - Unter dem Weltenbaum 04 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglass Sara
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sehr eine Königin, daß sie selbst sich dagegen
klein und unbedeutend vorkam.
Sternenströmer nahm ihre Hand. »Ihr seid ebenso eine
Sonnenflieger, wenn nicht sogar mehr, wie Rivkah, und
ihr werdet stets bei uns ein Heim finden und uns willkommen sein, wenn Euch danach ist.«
Am Rand des Podiums ließ Faraday Axis’ Arm los,
damit er hinaufsteigen konnte. Der Sternenmann begab
sich dann zu den Wächtern.
»Warum stellt sie sich nicht neben ihn?« fragte Aschure und hielt Caelum eng an sich gepreßt, damit Axis nicht
gleich ihre Schwangerschaft bemerken konnte.
»Bornheld ist erst gut eine Woche tot«, antwortete ihr
der Baron, »und die Krähen haben ihre Arbeit noch nicht
vollendet.«
Aschure erschauderte. Der Krieger hatte befohlen, den
Leichnam seines Bruders über die Mauer auf den Abfallhaufen zu werfen, daß er dort verfaule. Am Abend des
folgenden Tages war Gautier seinem Herrn dorthin gefolgt. Bornhelds ehemaliger Leutnant hatte lange und
bitter dafür bezahlen müssen, in Jervois drei Rabenbunder gekreuzigt zu haben.
»Deswegen geziemt es sich«, sagte Isgriff jetzt, »daß
Faraday sich heute etwas abseits von ihm hinsetzt, statt
an seiner Seite Platz zu nehmen. Sonst könnte im Volk
leicht schlechtes Gerede aufkommen.«
Faraday lächelte den Wächtern zu, als sie sich bei ihnen niederließ. Dann wanderte ihr Blick die erste Reihe
der Sitzplätze entlang. Sie erkannte Rivkah und nickte ihr
fröhlich zu. Die junge Frau hatte sich sehr gefreut, Axis’
Mutter endlich kennenzulernen. Beide waren Herzogin
von Ichtar gewesen und teilten ähnliche Erinnerungen.
Dann sah sie Sternenströmer, und dessen wissender Blick
hätte jede Frau erröten lassen. Aber wer mochte die
schöne Nor neben ihm sein? Sie hielt ein hübsches kleines Kind, einen Knaben, auf dem Schoß und unterhielt
sich angeregt mit dem Ikarier und Baron Isgriff. Faraday
dachte nach. Sollte das etwa die berühmte Aschure sein,
die mutige Schützin, von der sie schon so viel gehört
hatte? Niemand hatte aber erwähnt, daß die junge Frau
ein Kind hatte, oder daß sie so schön war. Aus ihren Augenwinkeln sah sie etwas golden aufblitzen, und schon
hatte sie die junge Mutter mit dem rabenschwarzen Haar
vollkommen vergessen.
Der Krieger trat an den Rand der Empore, und die
Menge verstummte. Er verbeugte sich auf traditionelle
ikarische Art und drehte sich im Kreis, um niemanden zu
übergehen. Als Axis sich weit genug gedreht hatte, um
die erste Reihe in Augenschein zu nehmen, sah er dort
alle seine Freunde und Verbündeten sitzen und lächelte.
Sein Blick streifte Aschure, und sie hielt den Atem an
und drückte Caelum noch enger an sich.
Nun richtete der Sternenmann sich wieder gerade auf
und sah der Menge entgegen. Langsam hob er eine Hand
und winkte den Menschen mit lockender Geste zu.
Aschure keuchte und hörte, wie Rivkah ein paar Stühle weiter ebenso scharf Luft holte. Beide Frauen erkannten diese Geste sofort wieder. Sternenströmer hatte sie
gebraucht, um die Damen zu verführen. Und Axis ebenso, damals in der Beltidennacht bei Aschure, und später
noch einmal nach seiner Rückkehr aus der Unterwelt auf
dem Turm von Sigholt.
Aber der Krieger hatte nun offenbar vor, eine ganze
Nation zu verführen. Aus dem, wie die Menschen und
Ikarier hinter ihr seufzten, schloß Aschure, daß ihm Erfolg beschieden sein würde.
»Mein Volk«, begann er, und seine Stimme erreichte
die Menge, die den gesamten Ostausläufer und den Südoststrand des Sees bedeckte. Axis mußte sie mit Zauberkraft verstärkt haben, damit jeder seine Worte vernehmen
konnte. Sternenströmer spürte aber, daß sein Sohn nur
einen geringen Teil seiner besonderen Kräfte einsetzte.
Wie schon damals bei seinem großen Auftritt vor der
Ikarierversammlung wollte er allein mit der Macht seiner
Persönlichkeit gewinnen.
»Mein Volk. Vor tausend Jahren starb in diesem Land
eine ganze Nation. Alle Völker litten seitdem darunter,
die Achariten, die Ikarier, die Awaren. Erstere verloren
die Schönheit und die Musik, aber auch die schattigen
Waldwege, die sie einst auf der Suche nach Geheimnissen oder der Liebe beschritten. Die beiden anderen Völker hingegen verloren ihre Heimat und die Stätten, die
ihnen bis auf den heutigen Tag heilig sind. Mein Volk«,
und jetzt verstanden alle Anwesenden, daß er damit die
Gesamtheit der drei Völker meinte, »laßt mich Euch von
dem Land Tencendor erzählen, daß uns allen verloren
ging.«
Und er fing an zu singen.

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