Der Sternenhuter - Unter dem Weltenbaum 04
bewegte.
»Pressen!« drängte Rivkah wie aus weiter Ferne. Axis
zog die junge Mutter so fest an sich, wie er es nur wagte.
»Aschure, bleibt bei mir. Bitte, bleibt bei mir. Verlaßt
mich nicht. Was sollte ich nur ohne Euch anfangen? Geht
nicht von mir. Bleibt hier!«
Rivkah sah ihren Sohn kurz an und dann wieder Aschure: »Man kann schon seinen Kopf sehen. Gleich ist er da.
Noch zwei Wehen, höchstens drei, und dann wird in
Euren Armen Euer Sohn liegen.«
»Habt Ihr sie gehört, Aschure? Ihr habt es beinahe geschafft. Aller Schmerz ist gleich vorüber.« Wenn das
überhaupt möglich war, hielt er sie jetzt noch fester.
Die junge Frau kämpfte noch einmal, zweimal und
stieß dann einen gewaltigen Seufzer der Erleichterung
aus. »Rivkah?« fragte sie matt und versuchte sich aufzurichten. Axis legte einen Arm um seine Liebste, hob sie
an und hielt sie an seine Brust gelehnt. Er blickte genauso angespannt wie Aschure auf das, was Rivkah da tat.
Ein Sonnenstrahl, der erste dieses Tages, wanderte
durch die Kammer und fuhr über Aschures Gesicht. Sie
blinzelte über seine Helligkeit.
Rivkah wischte dem Neugeborenen mit einem Tuch
das Gesicht ab, damit Mund und Nase frei wurden, und
legte es dann strahlend auf Aschures Bauch. Caelum war
noch über die Nabelschnur mit seiner Mutter verbunden.
Er regte sich leicht, riß die Augen auf und formte mit den
Lippen ein erstauntes »O«.
»Seht nur, was für einen wunderschönen Sohn wir
gemacht haben«, flüsterte Axis. »Vielen Dank, meine
Liebe, für dieses Kind.« Er beugte sich vor und küßte sie
sanft auf Stirn und Wange.
»Das ›Machen‹ war aber wesentlich angenehmer als
die Geburt«, entgegnete sie, lächelte dann aber, als ihr
Blick verträumt auf den Jungen fiel, der sich auf ihrem
Bauch regte. »Wie winzig er ist.«
Rivkah schnitt die Nabelschnur durch und zog dann
Morgenstern sanft vom Bett fort. »Gönnen wir ihnen ein
paar Minuten für sich«, flüsterte sie der Ikarierin zu. »Ihr
werdet Euren Urenkel noch früh genug Wiedersehen.«
Aschure hob das Kind an ihre Brust und lachte voller
Glück, als der Kleine zu saugen begann.
»Glaubt Ihr immer noch, daß sich Wolfstern hinter ihr
verbirgt?« fragte Rivkah leise.
Morgenstern schwieg eine ganze Zeitlang, in der sie
die junge Familie betrachtete. »Schein und Sein passen
bei ihr nicht zusammen«, erklärte sie schließlich.
Später saß Axis auf der Bettkante und hielt Caelum in
den Armen. Aschure war sichtlich erschöpft, wollte aber
auf keinen Fall schon einschlafen und betrachtete Vater
und Sohn voller Stolz. Der Krieger hatte den Knaben
gehalten und ihm Lieder gesungen, während Rivkah und
Morgenstern die ermattete Mutter wuschen und versorgten. Jetzt lag die junge Frau sauber und bequem im Bett.
Obwohl sie sich fürchterlich müde fühlte, galt es erst
noch Sternenströmer zu empfangen.
»Ihr müßt unbedingt wach bleiben«, riet Rivkah ihr.
»Es passiert nämlich sehr selten, daß drei Generationen
ikarischer Zauberer das erste Mitglied der vierten willkommen heißen können.«
Sternenströmer zeigte sich von Caelum höchst entzückt. Nachdem er die jungen Eltern darum gebeten hatte, durfte er den Säugling auf seine Arme nehmen, wiegte
ihn sanft und sang ihm Lieder. Das Kind war immer noch
wach und sah seinen Großvater neugierig an.
»ikarische Neugeborene können schon nach wenigen
Minuten sehen und Gesehenes einordnen«, erklärte Rivkah Aschure. »Er wird sich die neuen Gesichter einprägen und von nun an wiedererkennen.«
Sternenströmer lächelte dem Kleinen zu und hob dann
den Kopf, um die Mutter anzustrahlen. »Er ist ein Wunder«, sagte er leise und richtete den Blick wieder auf
seinen Enkel. »Wer würde glauben, daß er zur Hälfte
Mensch ist. Sein Sonnenfliegerblut singt so stark und
kräftig.«
Die Blicke von Axis und Morgenstern kreuzten sich.
»Wie bei Abendlied!« warf Rivkah eine Spur zu fröhlich ein. »Erinnert Ihr Euch noch an Abendlieds Geburt,
Morgenstern? Damals hat Sternenströmer genau das
gleiche gesagt.«
Aber alle außer Aschure wußten, was der Ikarierin bei
den Worten ihres Sohnes durch den Kopf gegangen war:
Natürlich würde das Sonnenfliegerblut des Säuglings laut
singen, wenn es sich bei seiner Mutter in Wahrheit um
Wolfstern handelte.
Sternenströmer wandte sich an seinen Sohn: »Habt Ihr
schon einen Namen für ihn gefunden? Wie wollt Ihr ihn
nennen, Axis?«
Axis lächelte seine Liebste an. »Aschure hat einen gefunden.«
Sternenströmer
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