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Der Sternenwald

Der Sternenwald

Titel: Der Sternenwald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin J. Anderson
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ich vollkommen gleichgültig. Ich dachte mir, dass es nicht schwerer sein könnte, allein zurechtzukommen – und ich hatte Recht. Ich bin froh, dass ich keine Brüder oder Schwestern habe, an denen meine Eltern ihren Zorn auslassen konnten. Vermutlich fielen sie übereinander her. Ich weiß nicht, ob sie noch verheiratet sind oder ob sie überhaupt noch leben.«
    »Wie traurig«, sagte Rlinda.
    »Ich bin zufrieden mit dem, was aus mir geworden ist.« Davlins Lippen deuteten ein Lächeln an – das einzige Lächeln, das Rlinda bisher bei ihm gesehen hatte – und blickte dann wieder auf das Display des Geräts. »Spuren von Endorphinen, außerdem Rückstände von Adrenalin. Der Angriff kam also nicht überraschend und es ging auch nicht schnell. Vor seinem Tod hat sich Louis Colicos eine Zeit lang gefürchtet und er litt erhebliche Schmerzen.«
    Rlinda schluckte einen Kloß in ihrer Kehle hinunter und versuchte sich vorzustellen, was während der letzten Momente im Leben des alten Archäologen geschehen war. »Ich nehme an, Sie haben Biochemie und Kriminalistik studiert, oder?«
    Davlin sah sie an und die Narben an seiner Wange erweckten erneut den Eindruck, von Krallen zu stammen. »Ich habe alles studiert. Ich hatte kein Geld, aber es gelang mir, meine persönlichen Daten zu manipulieren – dadurch konnte ich meine Identität ändern. Meine Anträge auf Stipendien und Studienbeihilfen wurden bewilligt. Wenn man nicht um zu viel Geld bittet, finden kaum Nachforschungen statt, insbesondere dann, wenn man in gewisse Kategorien fällt. Ich bin als Angehöriger religiöser Minderheiten aufgetreten und habe mich gelegentlich als Härtefall präsentiert. Und wenn man ein medizinisches Gutachten vorlegt, aus dem hervorgeht, dass man an einer komplizierten Krankheit leidet, so kommt man leicht an Stipendien.«
    »Sie sind also ein Betrüger und Schwindler gewesen«, kommentierte Rlinda.
    »Das war notwendig. Sechs Jahre lang habe ich studiert und dabei einen Kurs nach dem anderen belegt. Fünfmal wechselte ich meine Identität.«
    »Wie konnten Sie dann einen akademischen Grad erwerben?«, fragte Rlinda verwundert.
    »Ich hatte das Wissen. Wozu brauchte ich einen akademischen Grad?«
    »Ich schätze, man kann es auch so sehen. Sie haben sich also mit… äh… Spionage und Kryptographie vertraut gemacht?«
    »Außerdem mit Politik, Weltgeschichte, Astronomie, Raumschifftechnik und so weiter. Ich glaube an den Grundsatz vom abnehmenden Ertragszuwachs, wenn es um Bildung geht.«
    »Was hat es mit diesem Grundsatz auf sich?«
    »Ab einem gewissen Punkt beim Studium bringt zusätzliches Lernen nur noch wenige neue Erkenntnisse. Man sollte sich besser mit einem anderen Fachgebiet befassen.« Davlin legte das Analysegerät beiseite und sah Rlinda an. »Angenommen, Sie wissen nichts über Meteorologie. Wenn Sie sich hundert Stunden damit beschäftigen, erfahren Sie die wichtigsten Dinge und wissen auch, wie Sie sich detailliertere Informationen beschaffen können, falls das erforderlich werden sollte.
    Wenn Sie weitere hundert Stunden in das Studium der Meteorologie investieren, wird das zusätzlich erworbene Wissen immer weniger. Doch wenn Sie diese Zeit nutzen, um sich mit etwas Neuem zu befassen, zum Beispiel mit Ökonomie, so erwerben Sie solides Grundwissen. Ich hielt es für besser, mich auf vielen verschiedenen Fachgebieten auszukennen, anstatt mich auf eines zu beschränken und zum Experten zu werden. Und je mehr unterschiedliches Wissen ich sammelte, desto mehr seltsame Verbindungen wurden mir klar. Wer hätte jemals geglaubt, es gebe eine Verbindung zwischen Kunstgeschichte, Musiktheorie und Betriebswirtschaft?«
    »Gibt es da tatsächlich einen Zusammenhang?«
    »Ja. Aber ich würde eine Woche brauchen, um ihn zu erklären.«
    »Lassen Sie uns zuerst die hiesigen Untersuchungen beenden.«
    Davlin wanderte durch den Raum. »Wir wissen, dass die Archäologen ihre Ausrüstung überall in dieser alten Stadt verstreuten. Vielleicht gibt es hier noch etwas, das wir übersehen haben.« Er verließ den Raum, in dem Louis Colicos gestorben war, und nahm eine Lampe mit, um in dunkle Ecken zu leuchten.
    Rlinda folgte ihm. »Sie sind also ein Alleskönner. Hat die Hanse Sie rekrutiert?«
    »Ich habe mich ihr angeboten«, erwiderte Davlin. »Es war eine Frage des Überlebens. Nach dem sechsten Jahr schöpfte man in der Universitätsverwaltung Verdacht. Ich stellte fest, dass auf meine persönlichen Daten zugegriffen worden war. Man

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