Der Sternenwald
schon seit Monaten fort und allein in einem fernen Gasnebel unterwegs, während sie ihren Pflichten als Sprecherin nachging.
Cesca erinnerte sich an den verhängnisvollen und doch glücklichen Tag, als sie sich bereit erklärt hatte, Ross Tamblyn zu heiraten. Sie hoffte, dass diesmal alles besser wurde. Sie liebte einen anderen Mann, aber das war nicht Reynalds Schuld – sie konnte es ihm nicht zur Last legen.
Als sie viel jünger gewesen war, hatten ihr alle eine große Zukunft bei den Clans prophezeit. Es war damals kühn gewesen, Ross’ Heiratsantrag anzunehmen, und gewisse Risiken gingen damit einher. Ein schwarzes Schaf des Tamblyn-Clans, von seinem Vater, dem die Wasserminen von Plumas gehörten, enterbt… Ross hatte sich selbstständig gemacht, mit der Blauen Himmelsmine in den Wolkenmeeren von Golgen.
Bevor Cesca bereit gewesen war, seinen Antrag anzunehmen, hatte sie sich das Pro und Kontra wie bei der Planung eines Geschäfts angehört. Schließlich hatten sie sich auf eine lange Verlobungszeit geeinigt, damit Ross seine Schulden bezahlen und echte Unabhängigkeit erlangen konnte.
Und dann wollte es eine Laune des Schicksals, dass sie sich in Ross’ Bruder Jess verliebte. Doch sie hatte sich an das Versprechen Ross gegenüber gebunden gefühlt – es gab keine ehrenvolle Möglichkeit, die Verlobung mit ihm zu lösen.
In Gedanken erlebte sie den Verlobungstag noch einmal… Ihre Mutter hatte Stunden damit verbracht, sie anzukleiden. Cescas Gewand sah aus wie ein Stoff gewordener Regenbogen, hinzu kamen Tücher mit komplexen Musterfäden, ein Faden von jeder Familie, seit den Pionieren von einer Generation an die nächste weitergegeben. Cesca drehte sich in der niedrigen Schwerkraft und das Gewand wirkte dabei wie ein Kaleidoskop. Als Ross sie schließlich sah, verschlug es ihm den Atem. »Cesca, deine Schönheit überstrahlt all die Farben.«
Bram Tamblyn lehnte es zu jener Zeit noch immer ab, mit seinem Sohn zu sprechen, und deshalb führte Denn Peroni die Zeremonie durch. Er nahm einen langen weißen Stoffstreifen mit der aufgestickten Darstellung der Roamer-Kette. Cesca und Ross legten die Hände aufeinander und Denn Peroni band ihnen den Streifen um die Handgelenke. Er knüpfte einen komplexen Knoten, der sich nicht wieder lösen ließ.
»Dies soll symbolisieren, wie eure Leben miteinander verbunden sind«, sagte Denn. Er zog erst Cescas Hand aus der lockeren Schleife, anschließend die größere von Ross. Denn Peroni hob das Band. »Niemand soll diesen Knoten und damit die Verbindung der beiden Leben lösen.«
Doch dann hatten die Hydroger Ross über Golgen getötet. Eine Witwe oder eine unverheiratete Frau, deren Verlobter tot war, verbrannte das Band mit dem Knoten, was ihr die Möglichkeit gab, eine neue Beziehung einzugehen. Doch Cesca hatte es behalten, obgleich ihr Herz schon vor Ross’ Tod an Jess gebunden war. Jetzt wusste sie nicht, was sie mit dem Symbol anfangen sollte…
Zahlreiche Raumschiffe flogen Rendezvous an und brachen vom Asteroidenhaufen aus in alle Richtungen auf. Der Ekti-Mangel hatte den Handelsverkehr der Roamer schrumpfen lassen, aber die Clans kamen trotzdem zurecht – sie passten sich den neuen Gegebenheiten an und versuchten, das Beste daraus zu machen. Als ihre Vorfahren vor mehr als dreihundert Jahren mit dem Generationenschiff Kanaka aufgebrochen waren, hatten sie nicht zu hoffen gewagt, so viel zu erreichen.
Cesca hörte Schritte im Flur vor ihrem Büro, das Klirren der Klammern, Spangen und Reißverschlüsse eines mit vielen Taschen ausgestatteten Roamer-Overalls. Ein junger Mann mit mandelförmigen Augen und dunklem Haar führte einen kleinen Kompi herein, der mit seinen mechanischen Beinen durch die Tunnel gewandert war.
»Sprecherin Peroni, während meines letzten Versorgungsflugs zum Palastdistrikt auf der Erde wurde dieser Kompi an Bord meines Schiffes geschmuggelt. Zuerst hielt ich ihn für einen Tiwi-Spion, darauf programmiert, Informationen zu sammeln, aber er gehört einer Roamer.«
Cesca ließ sich gern von ihren Verlobungsplänen ablenken. »Warum sollte mir jemand einen Kompi schicken?«
»Angeblich hat er eine wichtige Nachricht für Sie.«
Die synthetische Stimme des kleinen Roboters erklang. »Meine Bezeichnung lautet EA. Ich gehöre Tasia Tamblyn vom Clan Tamblyn auf Plumas.«
Jess’ Schwester! Plötzlich erkannte Cesca den Zuhörer-Roboter. Sie hatte nichts mehr von Tasia gehört, seit die junge Frau fortgelaufen war, um in den
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