Der Sternenwald
kleinen Werkzeug schlug Nira brüchigen Sandstein ab. Diese besondere Schlucht war ein Friedhof von seltsamen Krustentieren, hübschen Mollusken und versteinerten anemonenartigen Geschöpfen. Fossile Opalknochen und schillernde Skelette wurden gesäubert und zu kostbaren Schmuckstücken geschnitten, dem wichtigsten Produkt von Dobro – abgesehen von den Ergebnissen des grauenvollen Zuchtprogramms.
Nira kratzte an dem Felsgestein und löste ein perfektes korkenzieherartiges Gehäuse mit den fedrigen Tentakeln des Geschöpfs, das einst darin gelebt hatte. Mit wunden Fingern benutzte sie eine kleine Bürste, um das Objekt zu reinigen. Es war wunderschön und funkelte im Sonnenschein. Die Natur hatte das geheimnisvolle Wesen zuerst festgehalten, dann versteinert und auf diese Weise für die Zukunft erhalten.
Und Nira hatte es jetzt befreit, nach Millionen von Jahren. Sie legte das Objekt in den nächsten Sammelbehälter und fragte sich, ob jemals jemand sie und die anderen Menschen befreien würde, so wie sie dieses wertvolle Fossil befreit hatte.
Unter hohem Druck aus Düsen schießendes kaltes Wasser reinigte die menschlichen Gefangenen nach der Arbeit. Nass und nackt trat Nira zur Seite und fühlte die Blicke der ildiranischen Ärzte, die jede fruchtbare Frau alle drei Tage untersuchten.
Den Luxus des Schamgefühls hatten die Menschen im Lauf ihrer generationenlangen Gefangenschaft vergessen. Sie zeigten verschiedene äußere Merkmale – dunkle, milchige oder gefleckte Haut –, aber die grüne Priesterin von Theroc weckte immer ihre Aufmerksamkeit. Auch Nira empfand keine Scham, nur Resignation in Hinsicht auf das, was die Ildiraner mit ihr anstellen würden.
Nach einer strikten Anweisung des Dobro-Designierten sollte Nira so oft wie möglich schwanger werden, damit die Experimente fortgesetzt werden konnten. Keiner der anderen menschlichen Gefangenen hatte sich als so »interessant« erwiesen. Ildiraner des Mediziner-Geschlechts ergriffen sie an den Armen und das Herz klopfte Nira bis zum Hals empor, als man sie zum medizinischen Bereich des Lagers führte.
Bei den ersten Malen, vor Jahren, hatte Nira um sich getreten und versucht, Widerstand zu leisten. Sie hatte sich auf die Ärzte gestürzt und versucht, ihnen die Augen auszukratzen. Aber so etwas war natürlich sinnlos. Es fiel den Wächtern nicht weiter schwer, sie fortzuziehen, und anschließend wurde sie festgebunden, damit die Mediziner alle notwendigen Untersuchungen vornehmen konnten. Zur Strafe war sie eine Woche lang in einem dunklen Zimmer eingesperrt worden. Als sie später Trost darin fand, sich um die Pflanzen an der Peripherie des Lagers zu kümmern, sah die Strafe der Ildiraner anders aus: Sie zertraten die von Nira umhegten Gewächse, wenn sie ungehorsam war.
Daraufhin beschloss Nira, andere Möglichkeiten des Widerstands zu finden.
In der hell erleuchteten medizinischen Abteilung nahmen die ildiranischen Ärzte Blut- und Gewebeproben, um Aufschluss über ihre Fruchtbarkeit zu erlangen. Sie sprachen miteinander, aber nie mit Nira, sah man von schroffen Befehlen ab. Inzwischen wusste die grüne Priesterin, was man von ihr erwartete, und sie fügte sich, so sehr sie es auch verabscheute.
Sie schloss die Augen, als die Ildiraner sie mit invasiven Instrumenten untersuchten. Tränen brannten hinter ihren Lidern und sie biss so fest die Zähne zusammen, dass die Kiefer schmerzten. Sie wusste, dass seit der letzten Entbindung genug Zeit vergangen war, und sie erinnerte sich an das Kind: Stark und ruhig war es gewesen, der Sohn eines animalisch wirkenden Ildiraners des Soldaten-Geschlechts.
Die einzige Hoffnung, die sie sich jetzt erlaubte, war eine schreckliche: Vielleicht hatten sich beim letzten Mal irgendwelche Komplikationen ergeben. Sie dachte an Zysten im Eierstock oder an eine Blockierung der Eileiter, was sie daran hindern würde, weitere Kinder zur Welt zu bringen. Dann hätte sie nur noch zur Arbeit getaugt – ein unangenehmes Schicksal, aber nicht so schlimm wie das gegenwärtige.
Doch einer der ildiranischen Ärzte sprach die verhassten Worte: »Sie ist fruchtbar.« Nira zuckte leise und konnte ein leises Stöhnen nicht zurückhalten. »Sehen Sie in den Unterlagen nach und stellen Sie fest, welche Geschlechter-Paarung der Designierte diesmal wünscht.«
Nira ließ den Kopf hängen, als man sie zu den Zuchtbaracken brachte. Wenn sie sich widersetzte, würde man ihr wehtun, ohne sie zu verletzen, beziehungsweise ohne dass ihre
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