Der Sternenwald
die Beförderung von Passagieren bestimmt, aber wenn in der Kapsel die Kapazität der Lebenserhaltungssysteme unter einen kritischen Wert sank, starb der Insasse, bevor Zhett die Kapsel zum nächsten Habitat bringen konnte.
»Na schön, mein Freund«, sendete sie und hoffte, dass die Person in der Rettungskapsel sie hörte. »Wenn Sie mir nicht helfen können, muss ich es eben allein schaffen.«
Sie brachte die Kapsel in Position und zog sie langsam näher, mit der Absicht, die Standardsiegel der beiden Luken miteinander zu verbinden. Es war schwierige Arbeit, die absolute Präzision erforderte. Mit dem Handrücken wischte sich Zhett Schweiß von der Stirn und versuchte es dann noch einmal. Schließlich waren die beiden Siegel miteinander verbunden.
Als sie den Druckausgleich hergestellt hatte und die Luke sich öffnete, nahm sie einen grässlichen Gestank wahr. Nach vielen Stunden war die Luft in der Rettungskapsel sehr schlecht, aber jemand hatte darin überlebt. Zhett sah Blut an der metallenen Innenwand; er wirkte wie ein Rostfleck. Dann hörte sie ein Stöhnen – ein erleichtertes Seufzen, oder vielleicht nur Erschöpfung und Verzweiflung.
Sie beugte sich vor und griff nach den Schultern des Soldaten. Er war jung, das Gesicht attraktiv und kultiviert. Die Rangabzeichen wiesen ihn als Commander der Tiwis aus. Auf der ID-Plakette an der Brust stand der Name: FITZPATRICK.
Der junge Mann öffnete benommen die Augen. Der linke Arm war verletzt und noch immer rann Blut aus zahlreichen Wunden und Verbrennungen. Fitzpatrick versuchte, sich auf Zhetts Gesicht zu konzentrieren, und seine Stimme klang schwach, als er sagte: »Nach dem Kampf gegen so viele Teufel ist es schön, einen Engel zu sehen.«
Er verlor nicht in dem Sinn das Bewusstsein, schaltete aber irgendwie ab.
Zhett träufelte ihm Wasser in den Mund, zog ihn an Bord ihrer Greifkapsel, nahm dann wieder an den Kontrollen Platz und öffnete einen Kom-Kanal. »Ich kehre zum Hauptkomplex zurück, mit einem Überlebenden, der medizinische Hilfe braucht.«
Die Roamer retteten nur dreißig Soldaten aus den TVF-Kampfschiffen und zwei weitere aus Rettungskapseln. Außerdem wurden Dutzende von nicht funktionstüchtigen Kompis geborgen, die repariert und für die Zwecke der Roamer umprogrammiert werden konnten, unter ihnen auch einige neue Soldaten-Modelle. Im Großen und Ganzen war es ein guter Fang.
Zhett behandelte Patrick Fitzpatrick mit dem Inhalt des Erste-Hilfe-Pakets, das es in jeder Werftstation gab. Kellum stand neben seiner Tochter, mit gerunzelter Stirn und gleichzeitig resigniert. »Aus dieser Sache ergibt sich ein Problem. Es gefällt mir nicht, Tiwis hier zu haben, aber wir müssen uns wohl um sie kümmern.«
»Hätte ich ihn in seiner Rettungskapsel sterben lassen sollen?«, fragte Zhett.
»Es wäre schnell gegangen«, sagte Kellum. Zhett schnitt eine finstere Miene und ihr Vater hob beschwichtigend die Hände. »Hab’s nicht ernst gemeint, Schatz. Aber ist dir klar, in welche verzwickte Lage wir geraten, wenn sich die Überlebenden erholt haben?«
»Die meisten Tiwis scheinen recht gesund zu sein«, erwiderte Zhett. »Sie brauchen nicht mehr medizinische Hilfe als die, die wir leisten können.«
Del Kellum musterte seine Tochter. »Ja, aber das ist nicht das Problem. Wenn wir unsere Roamer-Geheimnisse wahren wollen, können wir die Soldaten nicht zur Erde zurückkehren lassen. Nie wieder.«
96 KÖNIG PETER
Während seiner sechsjährigen Herrschaft war Peter nie an Bord eines einsatzfähigen Moloch gewesen. Doch als die Osquivel-Katastrophe bekannt wurde und sich Bestürzung auf der Erde ausbreitete, musste der König den Schein wahren. Zwar kontrollierte die Hanse die Tendenz der Berichte, doch die Bedeutung der Niederlage ließ sich nicht verbergen. Die Menschen waren aufgebracht.
Das neue Schlachtschiff gesellte sich fünf Manta-Kreuzern im irdischen Orbit hinzu, um zu einem eigentlich sinnlosen Erkundungseinsatz aufzubrechen und zu versuchen, weitere Informationen über die Hydroger zu gewinnen. Peter befürchtete, dass der Feind diese Schiffe ebenfalls vernichten würde.
Die Besatzungen dieser TVF-Schiffe bestanden aus den neuen Soldaten-Kompis – es war ein weiterer Test nach ihren guten Leistungen im Kampf gegen die Hydroger. Die Erkundungsmission ließ kaum Platz für Improvisationen und eigenes Ermessen; den Routineaufgaben sollte die modifizierte Klikiss-Programmierung gewachsen sein. Die menschlichen Kommandanten befanden
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