Der Sternenwald
aber angesichts der Einschränkungen des interstellaren Verkehrs fürchtete sie, dass er noch lange auf Corvus Landing bleiben würde.
Statt mit Beneto sprach sie mit Rossia. »Ich möchte etwas erreichen in meinem Leben. Ich würde mich einer Sache ganz widmen, mit all meiner Kraft – wenn ich nur wüsste, was diese ›Sache‹ ist.« Estarra wusste, dass Rossia niemandem von diesen Dingen erzählen würde.
Schließlich wandte er den Blick vom Himmel ab und sah sie aus seinen großen Glotzaugen an. »Jedes Leben hat eine Bestimmung, Estarra. Der Trick besteht darin, sie zu finden, bevor das Leben endet. Andernfalls stirbt man mit zu viel Reue.« Mit einem sonderbaren Lächeln sah er erneut zum Firmament hoch. »Vielleicht war es der Sinn meines Lebens, einem Wyver den schlechten Geschmack von menschlichem Fleisch zu zeigen.« Er breitete die Arme aus, und irgendwie gelang es ihm, das Gleichgewicht auf dem dünnen Ast zu wahren. »Wer weiß?«
Estarra wischte sich Schweiß von der Stirn und strich einige dünne Zöpfe zurück. »Ich habe gehofft, etwas… Substanzielleres zu leisten.« Sie hob den Kopf ebenso wie Rossia, blickte wie er zum Himmel hoch.
»Ich ebenfalls«, sagte er.
22 BENETO
Corvus Landing war weit vom Chaos des Hydroger-Krieges entfernt und das fand Beneto auch ganz gut so. Er leistete wichtige Arbeit und jeden Tag zeigten ihm die Siedler, wie sehr sie ihn schätzten.
Die kleine Kolonie exportierte keine wichtigen Güter, und nach vierzehn Jahren war sie auch nicht mehr auf ständigen Import angewiesen. Die Farmer produzierten genug Lebensmittel für die kleine Bevölkerung.
Der Bürgermeister Sam Hendy hatte eine Versammlung anberaumt. Sie sollte bei Einbruch der Dunkelheit stattfinden, wenn die meisten Arbeiten erledigt waren – obwohl es dringende Dinge gab, die einige Kolonisten bis in die Nacht auf den Beinen halten würden. Bürgermeister Hendy – ein Mann in mittleren Jahren, mit einem dicken Bauch, obwohl es ihm nicht an Bewegung mangelte – hielt nichts von Förmlichkeiten.
Beneto betrat den Gemeindesaal, der sich in einem Gebäude befand, das nicht weit aufragte – es sollte dem starken Wind, der über die Grasebenen von Corvus Landing, wehte, keine große Angriffsfläche bieten. Einige dicke Fenster gewährten Ausblick auf die flache Landschaft. Die Kolonisten fanden sich im Saal ein, um über das Unwetter am vergangenen Tag zu sprechen.
Ein Sturm war über die Siedlung hinweggefegt, mit heulenden Böen und Hagel, hatte Zäune, Bewässerungsanlagen, Außengebäude und Generatoren beschädigt. Das genaue Ausmaß der Schäden und der drohende Ernteausfall mussten noch abgeschätzt werden. Manche Dinge konnten schnell repariert werden; bei anderen würde die Instandsetzung länger dauern.
Sam Hendy saß an einem Schreibtisch und neben ihm stand ein Sekretär, der sich Notizen machte, während jede Familie von ihren Sturmschäden berichtete. Acht Wohnhäuser und elf Außengebäude waren von Wind und Hagel in Mitleidenschaft gezogen worden.
Die Inspektoren des Bürgermeisters waren tagsüber auf den Feldern unterwegs gewesen, hatten sich das geknickte und zu Boden gedrückte Getreide angesehen. »Ein Teil der Ernte kann gerettet werden«, sagte Hendy und zeigte sich wie immer optimistisch. »Wir haben widerstandsfähiges Korn gepflanzt und viele der Felder werden sich erholen.«
Zwei Ziegenherden hatten ihre Pferche verlassen und auf den Kornfeldern fast ebenso großen Schaden angerichtet wie das Unwetter. Nur Ziegen konnten einheimische Pflanzen verdauen. Symbiotische Bakterien in ihrem Verdauungssystem halfen dabei, das Moos und die haarartige Bodenvegetation in eine Nährstoffmasse zu verwandeln. Die Tiere lieferten Milch und Fleisch, dessen Import selbst in normalen Zeiten zu teuer gewesen wäre.
»In dieser Jahreszeit kommt es immer wieder zu solchen Stürmen«, sagte jemand. »Ich schlage den Einsatz von Polymerplanen vor, von transparenten Filmen, die das Sonnenlicht durchlassen, die Pflanzen aber vor den schlimmsten Auswirkungen der Unwetter schützen.«
Der Bürgermeister hob und senkte die Schultern. »Es ist einen Versuch wert.«
Andere Siedler brummten zustimmend, doch Beneto fragte sich, wo sie Polymerfilm auftreiben sollten. Im Norden gab es Minen und erzverarbeitende Anlagen, aber andere Industrien fehlten auf Corvus Landing.
Eine Stunde lang gingen die Diskussionen weiter, dann bat der Bürgermeister Beneto um eine Zusammenfassung der Nachrichten. Der
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