Der Sternenwald
»Er geht so von dir aus wie Hitze von einem Feuer.«
Udru’h trat neben das Mädchen und legte ihm seine starke Hand auf die Schulter. Noch vor einem Jahr hatte Osira’h viel Kraft aufwenden, ihre Gedanken und Wahrnehmungen kanalisieren müssen, um zu erkennen, was der Designierte dachte. Inzwischen geschah das fast ebenso automatisch und mühelos wie das Atmen. Erstaunlich.
Osira’hs Halbbrüder und Halbschwestern – unter ihnen auch Udru’hs Sohn Rod’h – zeigten nicht annähernd so großes Talent, obgleich der Designierte noch immer auf einen Durchbruch hoffte, indem er Nira Khali Zeugungspartner aus verschiedenen ildiranischen Geschlechtern zuwies. Die anderen Halbblut-Kinder wuchsen in großen Gruppen auf, in Kindergärten, Schulen und Ausbildungszentren. Die jungen Halbmenschen wussten um ihre Einzigkeit; die Instruktoren und Inspektoren gaben sich alle Mühe bei der Förderung ihrer individuellen Fähigkeiten.
Doch Osira’h behielt der Designierte für sich.
»Du hast ein großes Potenzial. Es gibt andere telepathische Kandidaten auf Dobro, aber niemand von ihnen ist so gut wie du. Deshalb habe ich mein Leben der Aufgabe gewidmet, dich zu unterweisen und dir die Möglichkeit zu geben, deine Fähigkeiten voll zu entfalten.«
»Zum Ruhm des Weisen Imperators«, sagte Osira’h und wiederholte damit die Worte, die er ihr eingeschärft hatte, seit sie sprechen konnte.
»Zum Ruhm der ganzen ildiranischen Zivilisation«, betonte Udru’h.
»Ich verspreche, mein Bestes zu geben. Und wenn mein Bestes nicht genügt, werde ich mich noch mehr bemühen.« Sorge zeigte sich in Osira’hs Gesicht, wie immer, wenn sich Konsequenzen vor ihr auftürmten. Sie schürzte die Lippen, wodurch ihr Mund fast wie eine Blumenknospe aussah. »Aber manchmal fürchte ich mich vor den Hydrogern. Es sind Ungeheuer, richtige Ungeheuer.«
Der Dobro-Designierte blickte in die finstere Nacht. Das helle Licht im Zimmer verwandelte den Himmel in eine schwarze Wand. »Du musst ihnen gegenübertreten, Osira’h. Der Weise Imperator wird durch dich zu ihnen sprechen. Du bist die Brücke – unser bestes Instrument, um ein Bündnis mit ihnen zu schließen oder eine andere Vereinbarung mit ihnen zu treffen, die verhindert, dass wir alle dem Krieg zum Opfer fallen.«
Udru’h spürte tiefen Kummer, der Osira’h galt, vermischt mit väterlichem Stolz. Er unterdrückte diese Gefühle, bevor das Mädchen sie bemerken konnte. Er durfte dem Kind nicht zeigen, dass er schwach oder weich war. Er musste immer fest bleiben und nie zweifeln – weil Osira’h nie zweifeln durfte.
Sie war immer leicht zu beeinflussen, immer erpicht darauf, das zu tun, was er von ihr erwartete. Zwar hatte der Begriff »Eltern« für die Halbblut-Kinder gar keine Bedeutung, aber Udru’h war so etwas wie eine Vaterfigur für Osira’h. Sie verschwendete keine Gedanken an periphere Details, spielte einfach ihre Rolle.
Reichte die Zeit noch aus, das Reich zu retten?
Über Jahrtausende hinweg hatten einige wenige Ildiraner gewusst, dass die Hydroger vielleicht eines Tages zurückkehrten und Chaos brachten. Zahllose Generationen lang waren Weise Imperatoren bestrebt gewesen, Vorbereitungen für die eventuelle Rückkehr des großen, unverständlichen Feinds zu treffen. Sie hatten selektive Kreuzungen bestimmter Geschlechter gefördert und bei den Ergebnissen dieser subtilen Experimente nach nützlichen Mutationen Ausschau gehalten, den Keimen des Retters. Ihre Aufmerksamkeit galt insbesondere besseren telepathischen Fähigkeiten.
Nach der Entdeckung der Menschheit hatte der regierende Weise Imperator Yura’h eine aufregende, innovative Alternative gesehen, neue Ingredienzien für den genetischen Pool.
Als erste Untersuchungen der Burton -Überlebenden das bemerkenswerte Potenzial menschlicher Genetik zeigten, wurde das Zuchtprojekt von Dobro erweitert, mit dem Ziel, eine Gruppe von Halbblut-Telepathen zu schaffen. Zuerst war es ein Gemeinschaftsunternehmen von Captain Chrysta Logan und dem damaligen Dobro-Designierten gewesen, aber Gewalt und Tragödien während der frühen Jahre hatten dazu geführt, dass sich der Dobro-Designierte gegen die Menschen wandte und die Natur des ganzen Programms änderte. Seitdem waren Menschen Gefangene. Objekte. Zuchtmaterial.
Die Synergie von menschlicher und ildiranischer Genetik hatte einige entsetzliche Geschöpfe hervorgebracht, aber auch spektakuläre Erfolge erzielt, vor allem in der zweiten und dritten Generation:
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