Der Sternenwald
Dächer und Regen abweisende Kraftfelder verhinderten, dass jemand nass wurde, wenn es zu einem Schauer kam. Das Gebäude wirkte wie ein alter Tempel inmitten von wuchernder Vegetation.
Die Entwicklung von Hyrillkas Pflanzen hatte weder hölzerne Stämme noch hohe Bäume hervorgebracht, sondern vor allem Bodengewächse und lange, flexible Ranken. Die hängenden Gärten von Hyrillka zählten zu den Wundern des Reiches: miteinander verflochtene Pflanzen, die über den Rand von Klippen hingen, mit riesigen Blüten, die den feuchten Dunst von Wasserfallen aufnahmen. Bestäubende, mit vier Flügeln ausgestattete Vögel fraßen Beeren und huschten von einer trichterförmigen Blüte zur nächsten.
Auf dem Banketthof lehnte sich Jora’h zurück, genoss den Duft der Pflanzen und der vielen Speisen. Gelegentlich merkte er, wie sich Sorgenfalten auf seiner Stirn bildeten, und dann ließ er sie schnell wieder verschwinden – niemand sollte seine gedrückte Stimmung bemerken. Als die blauweiße Sonne unter- und die orangefarbene aufging, gab Adar Kori’nh eine Vorstellung mit seinen Angriffsjägern und zwei Kriegsschiffen. Auf dem Boden begannen Glänzer zu leuchten, die geometrische Muster bildeten, auf Plätzen und Straßen für festliche Helligkeit sorgten.
Jora’h nahm Thor’h beiseite, aber der junge Mann widersetzte sich. »Ich möchte die Darbietungen der Raumschiffe sehen, Vater.«
»Du siehst so etwas nicht zum ersten Mal. Ich muss allein mit dir reden, um zu erklären, warum ich gekommen bin.«
»Das weiß ich bereits. Du willst mich nach Ildira bringen, auf dass ich dort im Prismapalast wohne.«
»Ja, aber den Grund dafür kennst du nicht.«
In einem von Blumen umgebenen Alkoven setzte sich Jora’h auf eine kleine Bank. Thor’h blieb auf den Beinen, ging nervös hin und her. »Mir gefällt es hier auf Hyrillka, Vater. Ich möchte bleiben. Der Designierte und ich kommen gut miteinander aus.«
»Die Umstände haben sich geändert. Du kannst nicht länger hier bleiben. Mir bleibt keine andere Wahl, als dich nach Ildira zu bringen.«
»Natürlich hast du die Wahl.« Thor’h wirbelte herum und sein perfekt frisiertes Haar zuckte. Das schmale Gesicht des jungen Mannes hatte etwas Raubtierhaftes. »Du bist der Erstdesignierte. Du kannst alles so regeln, wie du es für richtig hältst. Eine Anweisung von dir genügt.«
»Ich habe vor kurzer Zeit erfahren, dass meine Möglichkeiten manchmal ebenso beschränkt sind wie die der geringsten Bediensteten«, sagte Jora’h traurig.
Thor’h schlang die langen Finger ineinander, löste sie wieder und bewegte die Hände so, als suchte er mit ihnen nach Halt. Er schien erneut widersprechen zu wollen, aber sein Vater kam ihm zuvor. »Der Weise Imperator stirbt, Thor’h. Schon bald werde ich seinen Platz einnehmen und dann wirst du zum Erstdesignierten.«
Thor’h blieb stehen und riss die Augen auf. »Unmöglich. Ich bin noch nicht bereit.«
»Ich auch nicht, aber die Hydroger bringen das Reich in Gefahr und niemand von uns kann es sich leisten, allein für das Vergnügen zu leben. Jahrelang hast du die Vorteile deiner Geburt genossen. Jetzt musst du dich der Pflicht stellen.«
»Und wenn ich nicht will?«, erwiderte Thor’h scharf.
»Dann töte ich dich mit meinen eigenen Händen!« Die zornigen Worte kamen aus Jora’hs Mund, bevor er sie zurückhalten konnte. »Und dann mache ich deinen Bruder Zan’nh zum Erstdesignierten, obwohl er kein reinblütiger Adliger ist. Das Reich kann sich keinen so dummen Erstdesignierten leisten, wie du es zu sein scheinst.«
Thor’h starrte ihn entsetzt an, aber Jora’h konnte seine Worte nicht zurücknehmen. In einem beschwichtigenden Tonfall fügte er hinzu: »Wir müssen über uns hinauswachsen, wir beide.«
35 TASIA TAMBLYN
Admiral Willis’ Flotte kehrte zum TVF-Hauptstützpunkt auf dem Mars zurück, wurde dort mit vollen militärischen Ehren und einer Remora-Eskorte empfangen. Die Soldaten waren begeistert von dem Erfolg – ein ganz neues Gefühl nach den vielen Niederlagen gegen die Hydroger. In bester Stimmung zeichneten sie Mitteilungen für Freunde und Verwandte auf. Während Tanker das auf Yreka konfiszierte Ekti übernahmen, brachten die irdischen Medien-Netzwerke Berichte und Interviews. Die »Yreka-Rebellion« war mit minimalen Verlusten und Kollateralschäden beendet worden.
Tasia Tamblyn sah sich die Berichte an, kaum überrascht davon, dass die Tatsachen ziemlich verdreht und entstellt waren. Die
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