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Der stille Amerikaner

Der stille Amerikaner

Titel: Der stille Amerikaner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graham Greene
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Stroh, geschützt vor dem Wind, der gleich einem Tier zu ahnen schien, daß die Dunkelheit nahte. Der Mann, der vorhin im Staub gekritzelt hatte, verrichtete jetzt seine Notdurft, und der andere, der sich zuvor erleichtert hatte, kritzelte nun wirr im Staub. Ich dachte darüber nach, wie Mutter und Kind in jenen Augenblicken völliger Stille, nachdem die Posten aufgestellt worden waren, geglaubt haben mußten, daß es nun sicher genug war, den Graben zu verlassen. Ich fragte mich, ob sie dort schon lange gelegen hatten – das Brot war sehr trocken gewesen. Vermutlich waren sie auf diesem Bauernhof zu Hause.
    Das Funkgerät war wieder in Betrieb. Der Leutnant sagte müde: »Man wird das Dorf bombardieren. Die Patrouillen werden für die Nacht eingezogen.« Wir standen auf und machten uns auf den Rückmarsch, fuhren mit dem Boot wieder um den Leichenberg herum, zogen in Schützenreihe an der Kirche vorüber. Wir hatten uns nicht sehr weit entfernt gehabt und doch schien mir der Weg ziemlich lang dafür, daß die Ermordung jener beiden das einzige Ergebnis war. Die Flugzeuge waren aufgestiegen, und hinter uns begannen die Bomben zu fallen.
    Es war bereits stockdunkel, als ich das Offiziersquartier erreichte, wo ich die Nacht verbringen wollte. Die Temperatur war nur ein Grad über Null, und die einzige Wärme weit und breit gab es am immer noch brennenden Marktplatz. Die eine Wand des Offiziershauses war durch die Granaten eines Panzergewehrs zerstört worden, die Türen hatten sich geworfen, und die Vorhänge aus Segelleinen, die man überall angebracht hatte, vermochten die Zugluft nicht abzuhalten. Der Dynamo funktionierte nicht, und wir mußten Barrikaden aus Schachteln und Büchern errichten, damit die Kerzen überhaupt brannten. Ich spielte mit einem gewissen Hauptmann Sorel um kommunistisches Geld Quatre Cent Vingt-et-un; um Drinks konnte ich nicht spielen, weil ich Gast der Offiziersmesse war. Langweilig schwankte das Glück hin und her. Ich öffnete meine Flasche Whisky, um uns ein wenig zu erwärmen, worauf sich die anderen Offiziere um uns sammelten. Der Oberst sagte: »Das ist das erste Glas Whisky seit meiner Abreise von Paris.«
    Ein Leutnant, der die Posten inspiziert hatte, kam von seiner Runde zurück. »Vielleicht werden wir eine ruhige Nacht haben«, sagte er.
    »Vor vier werden sie nicht angreifen«, meinte der Oberst. »Haben Sie einen Revolver?« fragte er mich.
    »Nein.«
    »Ich werde Ihnen einen beschaffen. Lassen Sie ihn schön auf dem Kopfkissen liegen.« Und höflich fügte er hinzu: »Ich fürchte, Sie werden Ihre Matratze ziemlich hart finden. Und um drei Uhr dreißig setzt unser Granatwerferfeuer ein. Wir suchen jede Truppenansammlung zu zersprengen.«
    »Wie lange, glauben Sie, wird das so weitergehen?« fragte ich.
    »Wer weiß? Wir können keine Truppen mehr von Nam Dinh abziehen. Dies hier ist nur ein Ablenkungsmanöver. Wenn wir mit den Verstärkungen, die wir vorgestern bekamen, durchhalten können, ohne noch weitere anfordern zu müssen, dann kann man das schon als Sieg bezeichnen.«
    Von neuem hatte sich der Wind erhoben; er strich ums Haus und suchte Einlaß. Der Segeltuchvorhang bauschte sich (unwillkürlich dachte ich daran, wie im »Hamlet« Polonius hinter dem Wandteppich erstochen wird), und das Kerzenlicht flackerte unruhig. Die Schatten wirkten theatralisch. Wir hätten eine Wanderbühne beim Spiel in einer Scheune sein können.
    »Haben Ihre Vorposten standgehalten?«
    »Soweit uns bekannt ist, ja.« Der Oberst bot ein Bild tiefer Erschöpfung, als er fortfuhr: »Verstehen Sie mich recht: Das hier ist nichts, ist eine völlig belanglose Angelegenheit – verglichen mit dem, was sich hundert Kilometer von uns entfernt in Hoa Binh abspielt. Dort tobt wirklich eine Schlacht.«
    »Noch ein Glas, Herr Oberst?«
    »Danke, nein. Er ist wunderbar, Ihr englischer Whisky, aber Sie sollten sich lieber etwas davon für die Nacht aufbewahren, falls Sie es brauchen. Wenn Sie mich jetzt entschuldigen wollen, ich möchte noch ein wenig schlafen. Sobald die Granatwerfer einsetzen, ist es ja unmöglich. Hauptmann Sorel, Sie sorgen dafür, daß Monsieur Fowlair alles hat, was er benötigt: eine Kerze, Streichhölzer, einen Revolver.« Er ging auf sein Zimmer.
    Für uns alle war es das Zeichen zum Aufbruch. In einem kleinen Lagerraum hatte man für mich eine Matratze auf den Boden gelegt, und ich war rings von Kisten umgeben. Ich lag nur sehr kurze Zeit noch wach – selbst die Härte des

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