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Der stille Amerikaner

Der stille Amerikaner

Titel: Der stille Amerikaner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graham Greene
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während der langen Reden, deren Sprache sie nicht verstanden, für den Papst in seinen schweren Chinoiseriegewändern. Nur die weiblichen Kardinäle in weißen Seidenhosen sahen so aus, als hätten sie es trotz der grellen Sonne kühl, während sie mit Priestern plauderten, die Tropenhelme trugen. Man konnte sich nicht vorstellen, daß es jemals sieben Uhr abends und Cocktailstunde sein würde auf dem Dach des »Majestic«, wo ein frischer Wind vom Saigonfluß heraufwehte.
    Nach der Parade interviewte ich den Stellvertreter des Papstes. Ich rechnete nicht damit, irgend etwas aus ihm herauszukriegen, und diese Vermutung erwies sich als richtig: Es war bloße Konvention auf beiden Seiten. Ich fragte ihn über General Thé aus.
    »Ein Hitzkopf«, sagte er und ließ das Thema fallen. Er begann seine vorbereitete Rede, wobei er freilich vergaß, daß ich diese bereits vor zwei Jahren gehört hatte – es erinnerte mich an meine eigenen Schallplatten für eben eingetroffene Besucher: Der Caodaismus ist eine religiöse Synthese … die beste aller Religionen … Missionäre sind bereits nach Los Angeles ausgesandt worden … die Geheimnisse der großen Pyramide …
    Er trug eine weiße Soutane, und er war Kettenraucher. Er machte einen verschlagenen und korrupten Eindruck: Das Wort Liebe kam in seiner Rede häufig vor. Nach meiner Überzeugung wußte er, daß wir alle nur dazu anwesend waren, um über seine Bewegung zu lachen, unsere respektvollen Mienen waren genau so korrupt wir seine schwindelhafte Hierarchie, nur waren wir weniger schlau. Unsere Heuchelei brachte uns nichts ein – nicht einmal einen zuverlässigen Verbündeten, während jene der Caodaisten ihnen Waffen und Nachschubgüter, ja sogar bares Geld eingetragen hatte.
    »Vielen Dank, Eminenz!« Ich erhob mich, um zu gehen. Er begleitete mich zur Tür, wobei er Zigarettenasche verstreute.
    »Gott segne Ihre Arbeit«, sagte er salbungsvoll. »Vergessen Sie nicht, daß Gott die Wahrheit liebt.«
    »Welche Wahrheit?« fragte ich.
    »Im Glauben Caodais sind alle Wahrheiten miteinander ausgesöhnt, und Wahrheit ist Liebe.«
    Er trug einen riesigen Ring an einem Finger, und als er mir die Hand hinstreckte, gewann ich den Eindruck, als erwarte er tatsächlich von mir, daß ich den Ring küsse; doch ich bin kein Diplomat.
    Im harten Licht der senkrecht niederbrennenden Sonne erblickte ich Pyle; er versuchte vergebens, seinen Buick zu starten. Irgendwie war ich in den letzten beiden Wochen ständig auf Pyle gestoßen, in der Bar des »Continental«, in der einzigen guten Buchhandlung in der Rue Catinat. Die Freundschaft, die er mir von allem Anfang an förmlich aufgedrängt hatte, betonte er jetzt mehr denn je. Seine traurigen Augen fragten immer wieder voll Inbrunst nach Phuong, während seine Lippen sogar mit noch mehr Inbrunst die Stärke seiner Zuneigung zu mir und – entschuldigen Sie den Ausdruck! – seiner Bewunderung für mich verkündeten.
    Neben dem Buick stand ein Kommandant der caodaistischen Armee, der eifrig auf Pyle einredete. Er verstummte, als ich mich näherte. Ich erkannte ihn – er war einer von Thés Mitarbeitern gewesen, bevor der General sich ins Bergland zurückzog.
    »Guten Tag, Herr Kommandant«, begrüßte ich ihn. »Wie geht’s dem General?«
    »Welchem General?« fragte er mit einem scheuen Grinsen.
    »Nach dem Glauben Caodais sind doch sicherlich alle Generale miteinander ausgesöhnt«, erwiderte ich.
    »Ich kann den Wagen nicht in Gang bringen, Thomas«, sagte Pyle.
    »Ich hole einen Mechaniker«, sagte der Kommandant und verließ uns.
    »Ich habe Sie eben unterbrochen.«
    »Oh, das spielt keine Rolle«, sagte Pyle. »Er wollte wissen, wieviel ein Buick kostet. Diese Leute sind so freundlich, wenn man sie richtig behandelt. Die Franzosen scheinen nicht zu wissen, wie man mit Ihnen umgehen soll.«
    »Die Franzosen trauen ihnen nicht.«
    Pyle sagte feierlich: »Ein Mensch wird vertrauenswürdig, sobald man ihm Vertrauen schenkt.« Das klang wie ein Glaubensgrundsatz Caodais, und ich kam allmählich zur Überzeugung, daß die Luft von Tanyin für mich zu moralisch war, um sie einzuatmen.
    »Kommen Sie, trinken wir was«, sagte Pyle.
    »Es gibt nichts, was ich lieber täte.«
    »Ich habe eine Thermosflasche mit Limonensaft mitgebracht.« Er beugte sich über seinen Wagen und machte sich an einem Korb im Fond zu schaffen.
    »Gibt’s auch Gin?«
    »Nein, tut mir schrecklich leid. Wissen Sie«, sagte er ermutigend, »Limonensaft ist in

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