Der stille Krieg - McAuley, P: Der stille Krieg - The quiet war
schon noch bald genug sehen, worum es dabei geht«, sagte Sada. »So wie alle anderen auch. Ich fühle mich nicht weiter schuldig wegen dem, was geschehen ist, weißt du. Denn alles ist so, wie es sein soll. Wir sind Teil von etwas weitaus Größerem, das über unser eigenes Schicksal hinausgeht, Macy. Etwas Gewaltigem und Merkwürdigem und Wunderbarem.«
»Wenn du hierhergekommen bist, um deine Taten zu rechtfertigen und mir zu sagen, dass du alles nur für das Wohl der Allgemeinheit getan hast, dann verzichte ich gerne auf den Kaffee und gehe gleich wieder in meine Zelle zurück«, sagte Macy. Sie sprach mit Nachdruck, aber ohne Wut. Sie war nicht wütend auf Sada, sondern empfand nur Mitleid für sie. Mitleid, weil das Mädchen vom Weg abgekommen war. Weil es sich in die düsteren und gefährlichen Phantasien eines anderen Menschen hatte hineinziehen lassen.
Sada nahm das Messer vom Tisch und drehte es in der Hand hin und her. Die Klinge war gebogen wie die Klaue eines Velociraptoren. Schmale Regenbogen glitten über seine Schneide, die zweifellos auf die Breite eines Atoms geschärft war.
»Ich bin hier, weil Marisa Bassi dich um einen Gefallen bitten will«, sagte das Mädchen.
»Du arbeitest jetzt also für Marisa Bassi?«
»Wir haben schon immer mit Marisa Bassi zusammengearbeitet. Er ist ein nützliches Machtinstrument.«
»Ich wurde bereits von allen möglichen Leuten um meine Zusammenarbeit gebeten, Sada. Jetzt haben sie dich geschickt. Und ich werde dir sagen, was ich allen anderen auch gesagt habe. Ich hatte mit dem Mord an eurer Freundin oder Oberst Garcia nichts zu tun, und ihr könnt das Gegenteil nicht beweisen. Also klagt mich an und stellt mich vor Gericht oder lasst mich frei.«
»Inzwischen geht es nicht mehr nur um die arme Janejean. Es heißt, dass du eine Spionin bist. Du wirst verdächtigt, Spionage betrieben und gegen die Stadt gearbeitet zu haben.«
»Sie können über mich sagen, was sie wollen. Deswegen ist es noch lange nicht die Wahrheit.«
Macy gab sich Mühe, nicht zusammenzuzucken, als sich Sada vorbeugte. Das Mädchen setzte die Spitze des Messers auf dem Tisch auf und drehte es hin und her. »Du wirst der Spionage angeklagt. Und weil die Freiheit des Individuums aufgehoben wurde, müssen sie dich nicht gehen lassen, wenn sie nicht wollen. Sie können dich ewig hierbehalten, ohne eine Anklage erheben zu müssen. Aber ich kann dir helfen, wenn du mich lässt.«
»Marisa Bassi hat mich schon einmal um meine Hilfe gebeten«, sagte Macy. »Er hat mich darum gebeten, die Wahrheit über das Leben in Großbrasilien zu erzählen. Und das habe ich getan. Vielleicht war es nicht das, was er hören wollte, weil ich keine Geschichten von Ausbeutung, Sklaverei und Grauen erzählt habe. Es war keine nützliche Propaganda. Aber es war die Wahrheit.«
»Du hast gesagt, dass du schon in schlimmeren Gefängnissen gewesen bist«, sagte Sada.
»Ja. Ein paarmal.«
»Erzähl uns von diesen Orten, Macy. Rede über das Leben auf der Erde und sag diesmal die ganze Wahrheit«, sagte Sada und stach am Ende jedes Satzes leicht mit dem Messer in die Tischplatte. »Erkläre uns, wie es wirklich ist, unter der Knute einer Elite zu leben, die stets unter sich bleibt. Erzähle uns die Wahrheit über Unterdrückung und Grausamkeit. Und darüber, dass die gewöhnlichen Menschen wie Sklaven behandelt werden. Dass die Rede- und Gedankenfreiheit gnadenlos unterdrückt wird.«
»Ich habe bereits die Wahrheit erzählt«, sagte Macy. »Du kannst es dir gerne im Netz anschauen, wenn die Aufzeichnung nicht inzwischen heruntergenommen wurde.«
»Du willst, dass wir den Krieg gewinnen, oder? Du kannst einen kleinen Beitrag dazu leisten, indem du die Menschen daran erinnerst, wer ihr Feind ist. Indem du ihre Entschlossenheit stärkst.«
»Du meinst, indem ich Gräuelpropaganda verbreite.«
»Nur unsere Feinde würden es als solche betrachten.«
»Ihr wollt also, dass ich lüge«, sagte Macy. »Ich erzähle euch, was ihr von mir hören wollt – was Marisa Bassi von mir hören will -, und ihr lasst mich dafür frei. Ist das das Angebot?«
»Ich soll dir von ihm ausrichten, dass er seine Stadt liebt. Und dass er alles tun wird, um sie zu retten. Wenn es sein müsste und er dadurch die Moral der Menschen heben könnte, würde er sogar einen Schauprozess mit dir durchführen und dich als Spionin hinrichten lassen. Stattdessen gibt er dir diese letzte Gelegenheit, der Stadt und dir selbst zu helfen.«
»Dann
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