Der stille Krieg - McAuley, P: Der stille Krieg - The quiet war
möchte ich, dass du Marisa Bassi Folgendes fragst«, sagte Macy. »Er ist bereit, Lügen zu verbreiten, alle Gesetze außer Kraft zu setzen, Menschen einzusperren, die nicht einer Meinung mit ihm sind, sie sogar umzubringen … Was genau will er eigentlich noch retten?«
»Soweit es uns betrifft, geht es um die Zukunft der Menschheit«, sagte Sada. »Kleine Dinge wie Freiheit, Veränderung und Vielfalt. Dinge, die du genossen hast, als du bei Newton Jones und seinem Klan gelebt hast. Bitte, Macy. Ich möchte, dass du ganz genau über die Möglichkeit einer Zusammenarbeit nachdenkst, weil das wirklich deine letzte Chance ist.«
»Ich soll mich sofort entscheiden?«
»Ja, bitte.«
»Es ist etwas geschehen, nicht wahr? Erst diese Fragen über Sabotage und jetzt das … Hat der Krieg begonnen?«
»Noch nicht. Aber es wird nicht mehr lange dauern. Und wenn es so weit ist, wird niemand mehr hören wollen, was du zu sagen hast. Denk darüber nach. Lass dir Zeit. Ich kann dich auch gerne einen Moment alleine lassen, wenn du willst. Aber ich brauche deine Antwort, bevor ich gehe, und du wirst nicht noch einmal gefragt werden.«
»Nein«, sagte Macy.
»Nein?«
»Sag ihm, dass ich bereits die Wahrheit erzählt habe, und wenn sie ihm nicht gefällt, dann kann ich nichts dafür. Ich werde nicht für das Wohl der Allgemeinheit Lügen verbreiten. Denn wie kann es zum Wohl der Allgemeinheit sein, sie anzulügen?«
»Das ist deine Antwort?«
»Meiner Meinung nach kann es keine andere Antwort geben.«
»Es tut mir sehr leid, dass es so enden muss«, sagte Sada, warf das Messer in die Luft, fing es wieder auf und steckte es in ihren Gürtel. Dann stand sie in einer fließenden Bewegung von dem Stuhl auf.
Die beiden Wärterinnen traten neben Macy und zogen sie hoch. Sie sagte: »Mir tut es ebenfalls leid. Ich hätte nicht zulassen sollen, dass du in diese ganze Sache verwickelt wirst.«
»Alles geschieht so, wie es geschehen soll«, sagte Sada. »Im Augenblick verstehst du das zwar noch nicht, aber das wirst du schon noch.«
Macy und Loc Ifrahim wurden mit einer Reihe anderer wichtiger Gefangener in einem Gebäude etwa zwölf Kilometer
nordöstlich von Paris festgehalten, das vor kurzem noch eine Forschungseinrichtung gewesen war: Ein einstöckiges Blockhaus unter einer kleinen Kuppel, umgeben von Feldern mit Vakuumorganismen, die sich über die staubige Ebene im Innern des Romuluskraters hinzogen. Macy hatte ihre Zelle nur zu den Verhören verlassen dürfen, doch nun wurde sie nach draußen gebracht und sah, dass dort ein großer Käfig aus Fullerenstreben errichtet worden war, zwischen denen sich ein dünnes Drahtgitter spannte. In seinem Innern befanden sich mehrere Beete, auf denen gentechnisch veränderte Obstbüsche und Bohnenpflanzen wuchsen. Mindestens fünfzig Menschen drängten sich in dem Käfig. Wie Macy trugen sie alle hellorangefarbene Overalls. Manche saßen an niedrigen Tischen oder standen in kleinen Gruppen beieinander. Andere lagen in Hängematten oder auf dem Boden, die Arme über das Gesicht gelegt, um die Augen vor den grellen Flutlichtern abzuschirmen. Zwei Drohnen hingen mit surrenden Ventilatoren in verschiedenen Höhen vor dem Gitter in der Luft. An ihren Bäuchen befanden sich Taser und Pfeilgewehre, und ihre Kameraaugen leuchteten rot wie Blutstropfen.
Die Wärterinnen teilten Macy mit, dass sie ihre Zelle für einen neuen Gefangenen brauchten, schoben sie unsanft durch das Tor des Käfigs und schlossen es hinter ihr wieder ab. Während Macy sich noch umblickte, stürzte sich plötzlich eine Frau mit wilder weißer Mähne auf sie, schlug sie auf den Mund und stieß sie nach hinten. Sie drückte sie mit den Schultern gegen die Wand einer Toilettenkabine und schrie ihr ins Gesicht, dass das alles ihre Schuld sei, ihre Schuld . Ihre Stimme war zu einem hohen Kreischen verzerrt, und Speichel sprühte Macy auf die Wangen. Macy holte mit dem Kopf aus und rammte ihre Stirn mit voller Wucht gegen den Nasenrücken der Frau. Die Frau schrie auf und
ließ Macy los. Macy stützte sich an der Wand ab und versetzte ihr einen Tritt in den Bauch. Die Frau taumelte rückwärts und landete schwer auf dem Hinterteil. Sie blieb auf dem Boden sitzen, die Hände links und rechts neben dem Körper aufgestützt, den Kopf nach vorn geneigt, während ihr das Blut langsam und dickflüssig aus der gebrochenen Nase rann. Große Tropfen landeten auf dem Oberteil ihres orangefarbenen Overalls. Jemand sagte zu Macy,
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