Der stille Krieg - McAuley, P: Der stille Krieg - The quiet war
der Erde wusste etwas Definitives über Avernus’ Pläne oder ihren Aufenthaltsort. Nicht einmal ihr Förderer Oscar Finnegan Ramos hatte ihr weiterhelfen können.
»Sie ist schon immer recht scheu und zurückhaltend gewesen«, hatte er Sri bei ihrer letzten Unterredung gesagt. »Vielleicht weißt du, dass ich ihr nur ein einziges Mal begegnet bin. Hundert Jahre muss das schon her sein. Ja, es war kurz vor dem Umsturz gewesen, bei einer Konferenz über
die Gestaltung der Stoffwechselbahnen der ersten Vakuumorganismen. Damals war sie natürlich die führende Forscherin auf diesem Gebiet. Sie war uns anderen Jahre voraus. Deshalb war sie eingeladen worden, vor der Vollversammlung eine Rede zu halten, und bis zum letzten Moment wusste niemand, ob sie tatsächlich auftauchen würde. Ich sollte für sie einspringen, für den Fall, dass sie nicht kommen würde. Und dann, wenige Stunden vor der Rede, war sie plötzlich da und stand bei einer der offenen Diskussionen hinten im Raum. Du kannst dir vorstellen, was für einen Aufruhr sie auslöste. Sie wurde von allen Seiten angegriffen. Was ihre Rede anbelangte, nun, ich glaube, dass sie mindestens drei Leuten Ideen lieferte, mit denen diese ihre Karrieren begründeten, und dann war sie wieder verschwunden. Mach dir also keine Gedanken, meine Liebe. Sie wird dort sein oder auch nicht. Du wirst es erst am Tag selbst erfahren.«
Sri konnte Oscar nicht sagen, dass die Möglichkeit bestand, dass irgendjemand – Speller Twain, Loc Ifrahim oder jemand anderes – ein Attentat auf Avernus verüben wollte. Dass vielleicht auch sie selbst in Gefahr war. Nicht nur weil sie der Verschlüsselung der Funkverbindung nicht traute und die Außenweltler sie höchstwahrscheinlich abhörten, sondern weil vermutlich auch Euclides Peixoto mithörte. Ganz zu schweigen von General Arvam Peixoto. Sie war von Feinden umgeben. Die Einzigen, denen sie trauen konnte, waren Alder und ihr Sekretär Yamil Cho.
Unmittelbar nach ihrem Besuch in der Farm für Vakuumorganismen traf sie sich mit der Baumannschaft, um zu erfahren, wie sie mit der Arbeit vorankam, und unterhielt sich danach noch einmal kurz mit dem jungen Diplomaten, Loc Ifrahim. Dieser sagte ihr, dass er etwas Interessantes in Erfahrung gebracht hätte.
»Mr. Twain hat die freie Zone der Stadt besucht.«
Sri gab vor, nichts über die freie Zone zu wissen, und ließ sich von Loc Ifrahim beschreiben, worum es sich dabei handelte und welche Sitten dort herrschten.
»Es heißt, dass alles, was in der freien Zone geschieht, auch dort bleibt. Aber ich habe ein Gerücht gehört«, sagte Loc Ifrahim, »dass er sich mit Bürgern getroffen hat, die gegen das Projekt und die ganze Idee der Versöhnung eingestellt sind. Sie wissen sicher, dass es Menschen gibt, die alles dafür tun würden, um das Projekt zum Scheitern zu bringen.«
»Wissen Sie, mit wem genau er sich getroffen hat?«
»Leider nein. Noch nicht. Aber ich weiß, dass Ursula Freye vor ihrer Ermordung die freie Zone mehrmals aufgesucht hat. Es gibt da eine Verbindung, Ma’am. Dessen bin ich mir ganz sicher. Ich werde meine Ermittlungen fortsetzen, und Sie können gewiss sein, dass ich Ihnen unverzüglich Bericht erstatten werde, wenn ich irgendetwas entdecken sollte.«
»Er will, dass ich glaube, Speller Twain würde gegen mich intrigieren«, sagte Sri wenig später zu Alder.
»Woher willst du wissen, dass er nicht die Wahrheit sagt? Schließlich hat Speller Twain tatsächlich Ursula Freye umgebracht.«
Sie lagen nebeneinander in der Blase. Alder löffelte das quarkweiße Fruchtfleisch eines Zimtapfels.
»Erinnerst du dich an die Friedensoffiziere, mit denen ich mich unterhalten habe?«
»Sicher.«
»Die Stadtregierung hat sie angewiesen, ihre Ermittlungen über Ursula Freyes Tod einzustellen, weil die ganze Sache in politischer Hinsicht heikel ist. Natürlich waren die Offiziere nicht sehr froh darüber und waren äußerst interessiert,
als ich ihnen erzählt habe, dass mir Loc Ifrahim Speller Twains Kopf angeboten hat. Sie sind derselben Meinung wie wir. Dass nämlich Speller Twain und Loc Ifrahim beide in den Mord an Miz Freye verwickelt waren, und dass der Diplomat Speller Twain nun dazu benutzt, um von seinen eigenen Machenschaften abzulenken.«
»Aber wie können sie uns helfen, wenn sie Anweisung erhalten haben, ihre Ermittlungen einzustellen?«
»Wie jede Art von Polizei neigen auch sie dazu, sich die Gesetze mitunter etwas zurechtzubiegen, wenn es ihnen passt. Sie
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