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Der stille Ozean

Der stille Ozean

Titel: Der stille Ozean Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Roth
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waren mit Mänteln zugedeckt. Die Frau sprach jetzt ohne Unterbrechung. Sie stellte ihm Fragen, die er jedoch kaum verstand, auch war seine Aufmerksamkeit ganz auf die Küche gelenkt. Neben einem Tisch, aus dem die Frau eine Lade mit Eiern gezogen hatte, befand sich eine Maismahlmaschine mit einem großen eisernen Kurbelrad. In Schüsseln und Kisten lagen Haufen gelben Maismehls, aus dem die Frau Sterz machte. In der Dunkelheit entdeckte Ascher an der gegenüberliegenden Wand einen eisernen Küchenofen mit zwei schlafenden Katzen. Der Mann kam mit gesenktem Blick herein, machte eine Blechschachtel auf und drehte sich eine Zigarette. Ascher hatte bemerkt, daß er hinkte. Er fragte ihn, was ihm fehle, der Mann gab ihm jedoch keine Antwort. Offensichtlich hatte Ascher nicht laut genug gesprochen, denn nun schrie die Frau nochmals, was er gefragt hatte. »Er hört schlecht«, fügte sie hinzu. Der Mann erhob sich und blickte Ascher, die Zigarette drehend, an. Sein ganzer Körper war in Anspannung versetzt und arbeitete mit, als er mit ihm sprach. Die Hände unterstrichen jedes Wort, die Augen waren weit geöffnet, der Oberkörper ruckte hin und her. Ascher verstand folgendes: Der Mann hatte sich beim Aufschlagen der Kürbisse in den nackten Fuß gehackt. Er hatte die Wunde mit einem Lappen zugedeckt, zuerst Schnaps auf sie geschüttet, dann einen alten Strumpf der Frau darübergezogen. Weder er noch seine Frau hätten jemals einen Arzt gebraucht, erklärte er. Inzwischen habe sich die Verletzung aber nicht gebessert. Im Gegenteil, sie schmerze ihn beim Gehen heftig, allerdings hatte er sie seit einer Woche nicht mehr angesehen. Sie werde schon heilen, schloß er. »Zeigen Sie mir den Fuß«, sagte Ascher. »Den Fuß sollst du herzeigen!« wiederholte die Frau. Der Mann setzte sich wortlos und langsam auf eine kleine Bank, auf der Schachteln und Schnüre lagen, und streifte den Strumpf ab, dann nahm er die Lappen herunter. Die Wunde war tief, entzündet und eiterte. Ascher erklärte der Frau, daß er zurückkommen werde und daß ihr Mann warten möge. Er ging zu seinem Haus, stellte die Eier auf den Küchentisch und steckte Medikamente und Verbandszeug ein. Dann kam er zurück und versorgte die Wunde. Die Zehen des Mannes waren groß, die Haut an den Fersen war dick und gelb. Ascher half ihm, in den Socken zu schlüpfen und versprach, in zwei Tagen wiederzukommen. Er legte Geld für die Eier auf den Tisch, aber die Frau wollte es nicht nehmen. Sie lief ihm ins Freie nach, stopfte das Geld zurück in seine Jackentasche und bot ihm ein Stück Selch-Fleisch an. Erst als er versprach, es beim nächsten Mal zu nehmen, ließ sie ihn gehen.
    Hinter der nächsten Biegung bedeckten kleine braune Maulwurfshügel eine Wiese. Von weitem sah er einen Mann Plastikfässer in einen Keller schaffen. Zum ersten Mal war er froh.
     

17
     
    Hofmeister wohnte in einem flachen, gemauerten Haus mit erbsengrünen Balken und einer weißen Tür. Es war ein klarer, kalter Tag. Der Schnee war an den sonnigen Stellen verschwunden, nur an den schattigen Waldrändern sah er noch Flecken. Auch die Maiskegel ragten gelbbraun aus den Äckern, auf denen die langen Furchen vom Umbauen zu sehen waren.
    In der Küche von Hofmeisters Haus fand Ascher die dicke Braut vor dem Spiegel. Sie machte eine schüchterne Bewegung, um mit den Händen ihre Haare zu bedecken. Der Bräutigam, der ihm in die Küche folgte, war blond und kräftig, hatte rote Backen und trug noch die Alltagskleidung. Er wartete ihm einen Glaskrug mit Weißwein auf und bat ihn, im Vorzimmer auf einer ausgedienten, von einem alten Vorhang bedeckten Sitzbank Platz zu nehmen. Da Ascher auf keinen Fall stören wollte, blieb er ruhig sitzen. Währenddessen kam der kleine lockige Sohn aus dem Zimmer, blieb stehen und machte ein finsteres Gesicht. Er konnte noch nicht sprechen und wartete, bis seine Tante sich um ihn kümmerte. Ascher stellte den Glaskrug auf einen Sessel neben die Sitzbank, er hatte noch nichts gegessen und fürchtete, schon zu Mittag betrunken zu werden. Übrigens waren ihm sowohl der Bräutigam als auch die Braut fremd. Zu seiner Erleichterung erschien ein kleiner, kräftiger Mann mit einem von langen Falten durchzogenen, braunen Gesicht und weißem, dichten Haar auf dem Kopf. Er hängte den Mantel an einen Haken und setzte sich neben Ascher. Gleich nachdem er sich vorgestellt hatte, erzählte er ihm sein Leben. Durch die bevorstehende Hochzeit war er sichtlich aufgekratzt,

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