Der stille Sammler
Ärzteteams weiter zu verfolgen. Eine innere Stimme sagte mir, dass ich nicht gerade zu den Personen gehörte, die Floyd Lynch in einem stabilen Zustand sehen wollten und dass ich deshalb besser daran täte, so schnell wie möglich aus dem Hospital zu verschwinden.
»Bereit.«
Ich verfolgte, wie die Schwestern zurücktraten, ohne helfen zu können. Eine tippte immer noch gegen die kleine Tropfkammer, die den IV -Beutel mit dem Schlauch verband. Die Schwester, die ich vorhin in Lynchs Zimmer gesehen hatte, war nicht dabei.
Ich dachte an die kleine dicke Frau mit dem leeren Infusionsbeutel. Nein, er war nicht leer gewesen. Nicht einmal halb leer. Niemand wechselte einen Infusionsbeutel, bevor er nicht ganz leer war. Dann fiel mir ein, wie Lynch sich kurze Zeit später beschwert hatte, dass seine Hand schmerzte, als wäre er von einer Wespe gestochen worden. Und wie er während unserer Unterhaltung von Minute zu Minute benommener gewirkt hatte.
»Es ist der Beutel!«, sagte ich zu den Ärzten und zeigte auf das Gestell. Noch immer tropfte Infusionslösung in Lynchs Vene. »Es ist der Beutel!«, rief ich aufgeregt und wollte mich nach vorn kämpfen, um den Schlauch aus seinem Handrücken zu reißen oder wenigstens das Gestell umzuwerfen. Ich kam bis zur Seite von Lynchs Krankenbett, dann hielt ein Arzt aus dem Notfallteam mich fest.
»Schaffen Sie diese Frau hier raus!«, rief er den Schwestern zu. »Schaffen Sie sie raus!«
Die Lösung tropfte weiter. Lynch am Leben zu halten konnte mir vielleicht helfen, doch es half mir nicht dabei, Coleman zu finden. Ich war sicher, dass Lynch mir alles erzählt hatte, was er wusste.
Ich verließ das Krankenzimmer, während der Wachposten gebannt das Drama verfolgte, das sich vor seinen Augen abspielte.
46.
Man muss seine Prioritäten richtig setzen, und gegenwärtig galt es, Laura Colemans Leben gegen meine Freiheit abzuwägen. Colemans Leben hatte oberste Priorität. Und mir blieb nur eine Option, Max davon zu überzeugen, mir zu glauben und zu helfen. Die Chancen standen schlecht, doch ich musste es versuchen.
Ich fuhr zum Sabino Canyon Park im nordöstlichen Teil der Stadt. Dort kann man seinen Wagen abstellen und in eine Straßenbahn steigen, die ungefähr fünf Kilometer in den Park hineinfährt. Es ist eine wunderschöne Tour mit Canyonwänden zu beiden Seiten. Um diese Jahreszeit, während der Monsune, floss das Wasser stellenweise direkt über die Gleise, wo der Weg den Strom überquert. Ich bezahlte mein Ticket, stieg in die Bahn und fuhr bis zur letzten Station. Es war ein Wochentag und heiß wie die Hölle – deshalb waren nicht viele Leute unterwegs.
Ich kramte in meiner Tasche nach dem Handy, das ich in Peasils Unterschlupf gefunden hatte, stieg aus der Straßenbahn und setzte mich auf eine niedrige Mauer mit Aussicht auf den Canyon und eine Klippe auf der anderen Seite.
Als Max sich meldete, sagte ich: »Das ist ein anonymer Hinweis.«
»Ich erkenne dich an deiner Stimme, Brigid.«
»Ich weiß, ich bin offensichtlich nicht besonders clever. Ist Floyd Lynch tot?«
»Ja. Man hat mich angerufen, weil ich derjenige war, der ihn eingeliefert hat.«
»Er wurde ermordet«, sagte ich.
»Ich weiß. Der Wachmann hat die Person beschrieben, die sich als Lynchs Mutter ausgegeben hat. Die Beschreibung passt auf dich.«
»Ich war es nicht, Max.«
»Du hast ein Motiv. Rache. Du hattest eine Gelegenheit: Du warst in seinem Zimmer, als er starb. Die Frage ist, wie hast du es gemacht?«
»Ich habe ihn nicht getötet, Max. Sag Manriquez, er soll den Inhalt von Lynchs Infusionsbeutel analysieren. Es waren irgendwelche Opiate. Lynch wurde vergiftet, und zwar vom echten Route-66-Killer.«
»Du sagst also, es war Gift.«
»Verdammt, Max, hör mir endlich zu! Der richtige Killer ist nervös geworden. Verzweifelt, denke ich. Er muss von Colemans und meinen Nachforschungen, dass Lynch ein falsches Geständnis abgelegt haben könnte, Wind bekommen haben. Wir kamen ihm zu nahe.« Ich beschrieb mit wenigen Worten, wie ich die falsche Schwester gesehen hatte, die mit einem vollen Infusionsbeutel in Lynchs Zimmer gegangen und mit einem halb leeren wieder herausgekommen war. Wie Lynch über ein Brennen in der Hand geklagt hatte, wo die Nadel in der Vene steckte. Und wie er den Eindruck erweckt hatte, unter dem Einfluss eines schweren Rauschmittels zu stehen, bevor sein Atem aussetzte. Es musste ein langsam wirkendes Mittel gewesen sein, sodass der Mörder aus dem Krankenhaus
Weitere Kostenlose Bücher