Der stille Sammler
Merkmale, Tätowierungen oder dergleichen. Ohrlöcher. Arline Blum hatte eine Tätowierung am Knöchel. Alle Opfer hatten Ohrlöcher gehabt.
Nach der Knochenstruktur war sie ektomorph gewesen, eine kleine schlanke Gestalt, schon bevor ihr Fleisch vertrocknet war.
Nach dem Schädel zu urteilen war sie eine Schwarze gewesen.
Ich las die Zeile erneut.
Das war entschieden anders.
Ich drehte mich zum Computer um und öffnete die Seite www.findthemissing.org . Ich tippte die gleichen wenigen Informationen in die Datenbankmaske wie zuvor, Geschlecht, Gegend, das Jahr, in dem sie verschwunden war. Als Hautfarbe trug ich jedoch schwarz ein anstatt weiß.
Ich startete die Suche, und nach ein paar Sekunden hatte ich das Ergebnis. Es gab nur eine einzige Schwarze, die im fraglichen Jahr als vermisst gemeldet worden war. Nur um sicherzugehen, weitete ich die infrage kommende Zeit auf drei Jahre aus. Sie war die einzige Schwarze, die während der gesamten Zeit spurlos verschwunden war. Es gab ein Foto von ihr, das Abschlussfoto der Highschool. Und sie hieß Kimberly Maple.
Sie war keine unbekannte Prostituierte. Sie hatte zumindest einen Namen. Kimberly Maple.
Ich hatte eine Ahnung, doch zuvor wechselte ich zu einer Seite über Bevölkerungsstatistiken und suchte nach Schwarzen in Arizona. Weniger als vier Prozent. Wenn man diese Zahl noch um die Hälfte verringerte, um die männlichen Schwarzen auszuschließen, und erneut verringerte auf Kimberlys Altersgruppe zum Zeitpunkt ihres Todes, war die Chance kleiner als eins zu fünfzig. Die Kellnerin von Emery’s Cantina war eine Schwarze und hatte eine Angehörige, die Opfer eines Gewaltverbrechens geworden war. Nicht ganz zwei Bomben im gleichen Flugzeug, aber fast.
Ich nahm Colemans Telefon und wählte die Auskunft. Ja, es gab eine Nummer für eine Person namens Cheri Maple. Aber warum hatte Emery gesagt, dass Cheris Schwester das Opfer eines Gewaltverbrechens geworden war? Warum hatte er nicht gesagt, dass sie verschwunden war?
Es sei denn, Cheri hatte ihm erzählt, dass Kimberly tot war, weil sie es wusste.
Ein weiblicher Serienkiller?
Hatte Cheri ihre Schwester umgebracht und so viel Geschmack daran gefunden, dass sie weitere Morde beging?
Du bist müde, und du bist völlig verzweifelt, dachte ich. Hör auf zu fantasieren und denk lieber nach.
Ich atmete ein paarmal tief durch, während ich mir Sigmund vorstellte. Weise deine erste Annahme stets zurück.
Ich nahm das Foto von Kimberly Maple zur Hand, das am Fundort der Toten geschossen worden war. Wenn sie die Erste gewesen war, wie Lynch gesagt hatte, musste ihr Leichnam wenigstens dreizehn Jahre lang in diesem Autowrack gelegen haben. Wie alt mochte Cheri damals gewesen sein? Vierzehn, höchstens. Absurd die Vorstellung, sie könnte irgendetwas mit all diesen Morden zu tun gehabt haben, die sich vor so langer Zeit und so weit von Tucson entfernt ereignet hatten. Damals hatte sie nicht einmal einen Führerschein besessen, geschweige denn, dass jemand ihr einen Wagen vermietet hätte.
Ich betrachtete das Foto erneut und sah zu, wie sich Kimberlys Gesicht in meiner Fantasie in das von Cheri verwandelte und wieder zurück.
Noch einmal. Geh die Sequenz noch einmal durch …
Laura Coleman wittert ein falsches Geständnis, als Lynch ihr sagt, dass er die Ohren seiner Opfer weggeworfen hat. Sie geht zu ihrem Vorgesetzten und zu Royal Hughes und zu Gott weiß wem noch, um ihre Argumente vorzubringen. Alle ignorieren sie.
Oder vielleicht doch nicht?
Ist es möglich, dass jemand aus unseren eigenen Reihen der Killer ist?
Morrison nimmt ihr den Fall weg, als sie ihn umgeht und mich und Weiss ins Spiel bringt.
Frustriert wegen Morrisons Reaktion steigt Coleman aus, aber nicht, ohne mir vorher eine sorgfältige, auf Sigmunds Täterprofil und auf das Verhörvideo gestützte Analyse zu unterbreiten.
Wer wusste, dass Coleman ihre Ermittlungen ohne Autorisierung fortgeführt hatte? Coleman und ich hatten nur im Wagen auf dem Weg zu den Lynchs und zurück darüber geredet.
Und in Emery’s Cantina. Zweimal.
Ich kramte in meinem Gedächtnis und versuchte mich an jeden zu erinnern, der zum Zeitpunkt unserer Treffen in der Bar gewesen war. Cops. Cheri und Emery. Andere Leute, die ich nicht kannte. Wer waren diese anderen Leute? Wer konnte uns beim Reden belauscht haben?
Ich ging in Gedanken den Rest der Bar durch, die staubige Flasche Tarantula Tequila auf dem obersten Regal, die Rose neben der Registrierkasse, das Glas
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