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Der stille Sammler

Der stille Sammler

Titel: Der stille Sammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Becky Masterman
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»Alle sagen, es sei eine unbedeutende Stecknadel in einem Heuhaufen unwiderlegbarer Beweise. Sie wollen diesen Fall unbedingt abschließen. Die Publicity ist gewaltig. Der Direktor persönlich hat angerufen und Morrison beglückwünscht, also wird er nicht von seiner Position abweichen. Vergessen Sie nicht, dass das FBI vor ein paar Jahren die Highway-Killer-Initiative ins Leben gerufen hat.«
    »Und jetzt hoffen Sie, dass ich die Arbeit für Sie mache?«, entgegnete ich. »Sie hätten Morrison zwingen sollen, eine weitere Ermittlung zu genehmigen. Sie wissen schon – gemäß den Vorschriften.«
    »Wir haben Jessicas Leiche gefunden. Soweit es ihren Vater betrifft, war das doch wohl sein wichtigstes Anliegen, oder? Darum ist er hergekommen. Weil er die Leiche sehen wollte.«
    »Sie sollten zurück zum Betrugsdezernat. Da gehören Sie hin, Schätzchen.«
    »Nennen Sie mich nicht so. Es ist herablassend, und das habe ich nicht verdient.«
    Und ob sie es verdient hatte. Ich ignorierte ihren Protest und fuhr fort: »Sicher, wir haben Zach Robertson erlaubt, den Leichnam seiner Tochter zu sehen. Aber dieser Mann wartet seit sieben Jahren auf Gerechtigkeit. Schlimm genug, dass Lynch mit lebenslänglich davonkommt. Zach Robertson leidet viel mehr, als Sie sich vorstellen können. Sie dürfen es nicht noch schlimmer machen, nur weil Sie nicht den Mumm haben, einer Sache nachzugehen, die Sie für richtig halten.«
    »Darf ich Ihnen noch etwas bringen?«
    Coleman und ich zuckten beim Klang der Stimme zusammen. Im Eifer des Gefechts hatten wir ganz vergessen, dass wir in einem Restaurant saßen. Ich wusste nicht, wie lange Cheri bereits an unserem Tisch gestanden hatte.
    »Nur die Rechnung bitte«, sagte ich.
    Cheri sammelte unsere Teller ein und ging.
    »Sie sind nicht besser als Morrison«, sagte Coleman und starrte mich an, die Arme vor der Brust verschränkt, als wäre das die schlimmste Beleidigung, die sie sich denken konnte.
    »Unsinn!« Mehr fiel mir als Erwiderung nicht ein.
    Coleman blieb hartnäckig. »Was ist mit Lynch? Was, wenn er unschuldig ist?«
    »Unschuldig? Also wirklich. Der Mann treibt es mit Mumien!«
    Die anderen Gäste drehten sich zu uns um, und ich erkannte, dass ich zu laut geworden war.
    »Es gibt keine Beweise, dass er die Leiche nicht tatsächlich gefunden hat, wie er behauptet«, sagte Coleman mit gedämpfter Stimme. »Und einen Mord an der Frau im Lastwagen können wir ihm nicht nachweisen. Wollen Sie einen Mann wegen Leichenschändung lebenslänglich wegschließen? Bei aller Widerwärtigkeit, das ist kein Kapitalverbrechen.«
    Natürlich hatte sie recht. Täter werden wegen ihrer Verbrechen verurteilt, nicht wegen ihres Charakters. Ich selbst hatte ähnliche Worte in meiner Karriere mehr als einmal von mir gegeben. Ich musterte Coleman, die es irgendwie fertigbrachte, selbst dann noch aufrecht zu sitzen, wenn sie sich über den Tisch beugte. Ich betrachtete ihre lockigen Haare, ihre professionell nüchterne Brille und ihr perfektes dezentes Make-up. Ich fragte mich, ob ihre Analyse des Falles die gleiche Perfektion aufwies, die gleiche Aufmerksamkeit für jedes noch so kleine Detail.
    »Haben Sie ihn genötigt?«, fragte ich. »Ihm Informationen untergeschoben?«
    »Um Himmels willen, wo denken Sie hin! Morrison wollte, dass nichts schiefgeht, deshalb haben wir sämtliche Verhörsitzungen auf Video aufgezeichnet. Sie können sich selbst davon überzeugen.«
    »Warum hat Lynch gestanden? Was meinen Sie?«, fragte ich, obwohl ich aus Erfahrung wusste, dass so etwas ständig und ohne jeden Grund geschieht.
    »Das weiß ich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht«, antwortete sie.
    »Haben Sie ihn gefragt?«
    »Er bleibt bei seiner Geschichte, und er scheint sämtliche Details zu kennen. Verdammt, er ist nun mal der perfekte Täter! Es steht alles hier drin.« Sie tippte auf das Gutachten und schob es mir erneut mit einem sauber manikürten Fingernagel (an dem sie bestimmt noch nie gekaut hatte) ein Stück weit über den Tisch entgegen. »Nicht die gesamte Mordserie, nur das, was ich für meine Analyse als wichtig erachtet habe. Bitte sehen Sie es sich an …« Sie stockte und musterte mich mit einem eindringlichen Blick. »Insbesondere das Video.«
    Sie schlug das Gutachten auf und deutete auf eine DVD in einem Umschlag auf der Innenseite des Einbands. »Das ist der Teil des Verhörs, von dem ich rede – der Teil, der mir einfach nicht aus dem Kopf will. Sehen Sie es sich an, bevor Sie mir sagen,

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