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Der stille Sammler

Der stille Sammler

Titel: Der stille Sammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Becky Masterman
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eingehen. Es wäre viel einfacher, Carlo nichts von dieser Geschichte zu erzählen. Und auch sonst niemandem. Kein Wort.
    Ich war in Panik.
    Ich wandte den Blick von der Leiche ab, klappte mit leisem Klicken das Handy zu und steckte es zurück in meine Tasche. Dann machte ich mich daran, in die Tat umzusetzen, was sich als der wohl größte Fehler meines Lebens erweisen sollte.
    Ich überdachte meine Optionen. Mir blieben drei Möglichkeiten. Ich entschied mich für eine und schmiedete einen Plan.
    Phase eins: Ich öffnete die Türen des Vans und spähte nach draußen. Nach dem Halbdunkel im Innern drohte das vom Sand reflektierte Licht meine Augen zu verbrennen. Dann kam das Flussbett in Sicht. Ich sprang hinaus, dehnte meinen verspannten Rücken und nahm die Wasserflasche aus dem Rucksack. Ich zog die Handschuhe aus und ließ sie in den Sand fallen. Ich wusch mir einen Teil des Blutes aus dem Gesicht und goss mir Wasser über die Bluse, um das Blut gleichmäßig zu verteilen, sodass die Bluse auf den ersten Blick aussah, als hätte sie bloß eine etwas dunklere Farbe. Das alles machte ich nicht im Sand, sondern in einem Gestrüpp in Deckung der Brücke, um möglichst wenige Spuren zu hinterlassen, falls die Polizei den Tatort später in Augenschein nahm. Ich ging zu der Stelle, wo mein Hut beim Gerangel mit dem Verrückten in den Sand gefallen war, setzte ihn auf und schob mein blutiges Haar unter die Krempe. Ich brauchte keinen Spiegel, um zu wissen, dass jeder, der mich jetzt sah – zumindest auf diese Entfernung –, nur eine ältere Frau sehen würde, die in der Hitze schlappgemacht hatte.
    Ein Wagen fuhr über die Brücke, ohne langsamer zu werden oder gar anzuhalten.
    Phase zwei: Ich streifte mir die Handschuhe wieder über und kletterte zurück ins Innere des Vans. Ich rechnete damit, den Leichnam nach dem Wagenschlüssel absuchen zu müssen, doch ich hatte Glück: Er hatte die Schlüssel in der Zündung stecken lassen, um notfalls schneller flüchten zu können. Ich suchte über der Sonnenblende und im Handschuhfach nach einer Brieftasche, Versicherungskarte, Fahrzeugpapieren – irgendetwas, das den Kerl identifizieren konnte. Alles, was ich fand, war ein großer brauner Umschlag zwischen Fahrersitz und Mittelkonsole. Ich warf ihn nach draußen, damit kein Blut daran kam.
    Ich kletterte zurück nach hinten, auf die Ladefläche des Vans, öffnete den Riegel eines kleinen, an der Wand befestigten Schränkchens, und durchsuchte es. Es war allerlei Plunder darin, unter anderem eine pinkfarbene Barbie-Butterbrotdose, die ich jedoch ignorierte. Dann entdeckte ich, was ich suchte: ein Cuttermesser. Wunderbar. Ich schob die Klinge aus dem Griff, benetzte sie mit dem Blut des Toten, machte versuchweise ein paar Schnitte in sein Handgelenk und ließ das Messer dann neben der Leiche fallen, damit es aussah, als hätte er sich selbst das Bein aufgeschlitzt.
    Beinahe hätte ich meinen Gehstock vergessen, der in einer der Rillen lag. Das raue, unbehandelte Holz war mit Blut getränkt, das sich nie wieder würde entfernen lassen.
    Ich wusste, dass jede Sekunde eine vertane Chance war, deshalb blickte ich mich rasch im Innenraum um und suchte nach anderen verräterischen Spuren meiner Anwesenheit. Alles sah sauber aus.
    Phase drei: Ich klemmte mich hinter das Steuer des Vans und blinzelte durch die Windschutzscheibe, ob jemand mich beobachtet hatte. Das Ufer lag verlassen da. Ich ließ den Motor an und lenkte den Van über den Fahrweg, der am Ufer des trockenen Flussbetts entlang verlief. Gott sei Dank beschrieb das Flussbett – und mit ihm der Fahrweg – schon bald eine scharfe Biegung nach links. Ich folgte dem Verlauf des Weges, bis ich außer Sichtweite der Brücke war, an der ich üblicherweise Steine suchte. Das Flussbett war hier in der Kurve tiefer ausgeschnitten und lag ein ganzes Stück unterhalb des Fahrweges.
    Vorsichtig steuerte ich den Van näher an die Kante und auf eine Lücke zwischen den Mesquitebäumen zu, die sich trotz der Erosion des Sandes beharrlich an das Erdreich klammerten. Als ich spürte, wie die Reifen auf der Fahrerseite langsam wegsackten, zog ich die Handbremse und kroch über die Mittelkonsole auf die Beifahrerseite. Den Motor ließ ich laufen. Dann öffnete ich die Beifahrertür, löste die Handbremse und warf mich aus dem Wagen.
    Der Van kippte über den Rand der zweieinhalb Meter hohen Böschung ins Flussbett und landete mit aufheulendem Motor und sich drehenden Rädern auf dem

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