Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der stille Sammler

Der stille Sammler

Titel: Der stille Sammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Becky Masterman
Vom Netzwerk:
irgendein Lebenszeichen, aber nichts dergleichen. Vielleicht hatte sie sich tatsächlich in eine Ecke verkrochen und leckte ihre Wunden, weil sie von dem Fall abgezogen worden war, genau wie Morrison vermutete. Vielleicht war ihr die Sache so peinlich, dass sie nicht mit mir darüber reden konnte. Oder sie war einer Spur nachgegangen, von der ich nichts wissen sollte. Was immer der Grund sein mochte, ich tappte im Dunkeln. Ich konnte allenfalls nachforschen, wo Colemans Eltern wohnten, und diesen Teil ihrer Geschichte überprüfen.
    Es war Dienstag – der Tag, an dem Floyd Lynch vor Gericht sein Geständnis ablegen würde, und soweit ich wusste hatten wir keine Beweise, dass er log. Ich wollte zu der Verhandlung, um zu sehen, wie es lief, doch bis dahin blieb mir Zeit, meine Spuren zu verwischen, bevor Max noch mehr darüber herausfand, was mich mit Gerald Peasil in Verbindung brachte.
    Ich erzählte Carlo irgendeine Geschichte – ich weiß nicht mehr genau, was ich ihm sagte – und fuhr nach Norden, nach San Manuel, Peasils letztem bekannten Aufenthaltsort.
    Was, wenn der Typ einfach Mist erzählt hat, Brigid?, fragte ich mich unterwegs. Was, wenn er geistesgestört war? Wenn es überhaupt keine anderen Opfer gibt? Was, wenn du einen unschuldigen Mann getötet hast? Sieh dir nur Floyd Lynch an.
    Ich muss gestehen, ein nicht unwesentlicher Grund für meine Fahrt nach San Manuel war der, dass ich mir selbst beweisen wollte, keinen Unschuldigen getötet zu haben.
    Ich sagte mir immer wieder, dass es tatsächlich Blut gewesen war, das ich in Peasils Van gesehen hatte. Die Fahrt über die vierspurige Route 77 und die Tiger Mine Road bis zu dem verwitterten Ortsschild, das mich in San Manuel willkommen hieß, dauerte kaum mehr als eine halbe Stunde.
    San Manuel war eine heruntergekommene kleine Ortschaft knapp siebzig Kilometer nordwestlich von Tucson, abseits der Route 77. Eine Zeit lang hatte das Kaff von einer ergiebigen Kupfermine profitiert – so sehr, dass man sogar einen Golfplatz gebaut hatte. Als die Mine allmählich versiegte, war San Manuel mehr oder weniger verlassen worden. Der Golfplatz war kaum noch als solcher zu erkennen. Die Hauptstraße führte zwischen deprimierenden Wohnbaracken auf der rechten und Abraumhalden auf der linken Seite hindurch, die sich bis zu einem milchig grünen See erstreckten, einen knappen Kilometer hinter der Stadt am Fuß der Galiuro Mountains im Westen.
    Ich fand Peasils Adresse und parkte wie gewohnt ein Stück die Straße hinunter, um mich nicht vorzeitig anzukündigen und später nicht ohne Weiteres identifiziert werden zu können. Dann setzte ich mir eine pinkfarbene Frottee-Turbanmütze und meine Jackie-O-Sonnenbrille auf und ging zurück zu der Pension, die schon von außen so aussah, als würden dort Leute wie Peasil absteigen. Für einen Moment fragte ich mich, was ich wohl getan hätte, hätte Max’ Wagen vor der Tür gestanden, doch der Straßenrand war frei. Ein Zimmer-frei-Schild auf dem verdorrten Rasen verschaffte mir den Vorwand zu klingeln. Eine bärtige alte Frau, die so dick war, dass sie ihren Kaftan ausfüllte, kam zur Tür.
    Höfliche Vorstellung war nicht angesagt, doch als wir zwischen vertrocknenden Wandelröschen hindurch zur Rückseite des Grundstücks und einer adobe casita gingen, einer Lehmziegelhütte, beäugte sie meine Sonnenbrille und meinen Turban eingehender.
    »Waren Sie krank?«, fragte sie.
    Ich nuschelte etwas in unverständlichem Südstaatenakzent.
    »Hab ich auch hinter mir.«
    Ich nuschelte noch ein paar Worte mehr. Vielleicht dachte sie, dass es an ihren Ohren lag, jedenfalls fragte sie nicht weiter.
    »Der letzte Mieter hat ein paar Monate hier gewohnt, ist seit zwei Wochen aber nicht mehr aufgetaucht. Er schuldet mir noch die Miete. Er hat jede Woche bezahlt«, ergänzte sie.
    »Sieht so aus, als wäre es das Richtige für mich«, murmelte ich, als ich im Eingang der Ein-Zimmer-Hütte stand und den Blick über die wild zusammengewürfelte Einrichtung schweifen ließ. Ein muffiger Geruch hing über allem, und ich schloss die Augen, während ich herauszufinden versuchte, ob es verdorbenes Essen war oder ob jemand auf der Toilette schlecht gezielt hatte.
    »Muss mal aufgeräumt werden, schätze ich«, sagte die Frau.
    »Sieht nicht so aus, als hätte er häufig Besuch gehabt«, murmelte ich wie zu mir selbst, während ich darauf wartete, was die dicke Frau sonst noch von sich gab.
    »Hin und wieder hab ich Geräusche gehört«,

Weitere Kostenlose Bücher