Der stille Sammler
reinstes Schlaraffenland für Serienkiller wie Peasil.
Und Peasil hatte diesen Frauen aufgelauert.
Ich bückte mich und betastete den Sack, um zu sehen, ob auch wirklich alles herausgefallen war, bereit, jederzeit aufzuspringen, sollte die Vermieterin zurückkehren. Ich spürte etwas, das sich anfühlte wie ein kurzes Stück Seil, und schüttelte es heraus. Es war ein langer grauer Zopf, an beiden Enden mit Zwirn zusammengebunden. An einem Ende hing ein Stück helles Material – Gewebe, das sich unter einem Mikroskop aller Wahrscheinlichkeit nach als menschliche Kopfhaut erweisen würde. Ich verzog das Gesicht, als ich mir vorstellte, wie es dazu gekommen war. Dann sah ich den Zopf genauer an und bemerkte, dass die drei Strähnen des Zopfes leicht unterschiedlich waren. Eine war nahezu weiß, eine eher silbrig, die dritte graumeliert.
Der Zopf war aus den Haaren von wenigstens drei verschiedenen Frauen geflochten worden, vermutlich nach ihrem Tod.
Ich legte ihn behutsam auf die Kleidungsstücke. Es fühlte sich an, als würde ich Max eine Notiz hinterlassen: Such nach den Leichen.
Ich schaute auf meine Uhr. Ich hatte Max aus verständlichen Gründen nicht gefragt, wann er hierherkommen würde. Er konnte direkt hinter mir sein. Ich stopfte alles zurück in den Plastiksack und schob ihn für die Spurensicherungsleute zurück unter die Luftmatratze. Sobald Max erst die Kleidung, die anderen Trophäen und den Zopf aus dem Haar verschiedener Opfer gefunden hatte, würde er seine Aufmerksamkeit von mir abwenden und sich auf Peasil konzentrieren – nicht als Opfer, sondern als Täter.
Als ich mich zum Gehen wandte, bemerkte ich ein schwarzes glänzendes Etwas unter einer Ecke der Luftmatratze. Zunächst hielt ich es für einen Zipfel des Müllbeutels. Ich wollte ihn mit der Hand unter die Matratze schieben, als ich überrascht feststellte, dass es ein Handy war. Ich spürte, wie mein Herz zu rasen begann, als ich es aufklappte. Ich war hin- und hergerissen, ob ich es einstecken sollte, um später in aller Ruhe die gespeicherten Nummern zu checken, oder ob ich es für Max zurücklassen sollte, als ein Geräusch in meinem Rücken mich zusammenzucken ließ. Ich hielt die Hände dicht vor mir, um zu verbergen, dass ich Latexhandschuhe trug.
»Sind Sie fertig, Süße?«, hörte ich die Vermieterin fragen.
Scheiße. »Fast.«
Sie schien bemerkt zu haben, dass ich in einer Ecke kauerte. »Sind Sie krank?«, wollte sie wissen. »Geht es Ihnen nicht gut?«
»Doch, bestens, danke. Ich habe bloß mein Handy fallen lassen. Geben Sie mir noch ein paar Minuten.«
Ich hörte, wie sie die Tür leise quietschend schloss und sich entfernte. Hoffentlich hatte sie meine Papierüberschuhe nicht gesehen.
Ich aktivierte das Fotoalbum von Peasils Handy.
Und da waren die Opfer. Körper. Nahaufnahmen von Armen, Beinen, Knochen, die das Fleisch nach oben drückten wie Zeltstangen. Und Gesichter. Die Gesichter, unversehrt, unverstümmelt, waren das Schlimmste. Die meisten Opfer, die ich zu sehen bekomme, sind bereits tot. Und das ist auch besser so. Diese Frauen aber waren noch nicht tot, und sie starrten mich an. Man musste nicht sehen, was er mit ihren Körpern angestellt hatte. Man musste ihnen nur kurz in die Augen schauen.
Es waren mehrere Dutzend Fotos, die ich hastig durchblätterte, bis ich weitere Fotos fand. Aufnahmen von mir, die offenbar jemand anders auf Peasils Handy gesendet hatte.
Ich konnte das Handy nicht zurücklassen. Selbst wenn ich die Fotos löschte – für einen Experten war es ein Kinderspiel, die Bilddateien wiederherzustellen. Ich steckte das Handy in meine Handtasche. Ein weiteres Verbrechen auf meiner immer längeren Liste: Beseitigung von Beweismitteln an einem Tatort.
Ich verließ die Hütte, ohne noch einmal mit der Vermieterin zu reden, überquerte ein fremdes Grundstück und ging direkt zu meinem Wagen. Ich hatte genügend Beweise zurückgelassen, damit Max selbst herausfinden konnte, dass Peasil der Abschaum war, als der er sich mir gegenüber erwiesen hatte.
31.
Anstatt nach Hause zu fahren und so zu tun, als wäre nichts gewesen, begab ich mich gleich in die Stadt, hielt bei einem Bruegger’s und kaufte mir einen schwarzen Kaffee und einen Bagel ohne alles, um die Säure zu neutralisieren. Ich versuchte ein weiteres Mal, Laura Coleman zu erreichen – vergeblich. Sie hatte sich am Tag zuvor im Büro abgemeldet – warum nicht auch bei mir? Warum ging sie mir aus dem Weg?
Ich nahm das Handy
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