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Der stille Schrei der Toten

Der stille Schrei der Toten

Titel: Der stille Schrei der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Ladd
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an mehreren Filmsets, stiegen über Kabel und umgingen Lampen, Galgenmikrofone und Kameras, bis wir eine von drei Flutlichtlampen beleuchtete Szenerie erreichten. Detectives standen in kleinen Grüppchen herum und besprachen den Fall, während die Spurensuche noch bei der Arbeit war. Die Leute waren sehr gründlich und sehr gut. Einige von ihnen, mit denen ich früher schon zusammengearbeitet hatte, erkannten mich und grinsten mir zu, und ich nickte zurück, ohne stehen zu bleiben. Ich wusste genau, was sie dachten; das war einer der Gründe, warum ich L. A. verlassen hatte, um meine Wunden in der Abgeschiedenheit der Ozarks-Region zu lecken.
    Die Szenerie stellte eine über dem Meer liegende Villa dar, mit vielen weißen Säulen, Marmorfußböden und weißen Leinenvorhängen vor einem überdimensionalen Bett. Der gemalte Hintergrund zeigte einen Sonnenuntergang in der Ägäis. Das Opfer saß aufrecht auf dem Bettrand, völlig unbekleidet, klapperdürr, die Beine züchtig übereinandergeschlagen und die Arme demonstrativ sittsam auf der Brust verschränkt. Tate hatte recht, was das Blut betraf. Entweder wurde der Killer zunehmend schlampig, oder er war so sehr in Eile, dass er sie einfach alles an Ort und Stelle verspritzen ließ. In der Luft lag der schwere, süßliche Geruch geronnenen Blutes. Gut möglich, dass er am See dasselbe Blutbad angerichtet hatte, und nur das Wasser hatte im Anschluss daran alles wieder reingewaschen.
    Der Kopf war ohne jeden Zweifel Sylvie Borders. Ihr Gesicht war unverkennbar, selbst noch im Tod schön, die Augen offen und starrend, aber Tate hatte recht. Es sah aus, als hätte der Täter absichtlich das ganze Gesicht mit Blut beschmiert, abgesehen von einer Stelle auf ihrer Stirn, die so weiß und wächsern aussah wie die Magnolienblüten, die die Veranda ihres Elternhauses in New Orleans mit ihrem Duft erfüllten. Sie war so positioniert worden, dass sie aus dem Fenster auf den künstlichen Sonnenuntergang am Meer starrte. Um das Set herum standen Kameras, direkt dahinter Regiestühle, und alle Scheinwerfer waren auf sie gerichtet, als sollten die Dreharbeiten in diesem Moment beginnen.
    Ich war mehr als sechs Stunden unterwegs gewesen, und noch immer war die Tatortermittlung nicht abgeschlossen, was bedeutete, es gab jede Menge Beweismittel. Ich ging ans Bett, wo eine junge Frau in schwarzer Hose und weißem Poloshirt mit dem Schriftzug des Police Departments von L. A. Fotos von der Leiche schoss. Ich kannte die Frau nicht, aber sie blickte von ihrer Arbeit auf und nickte mir zu, wie es Kollegen von den Strafverfolgungsbehörden eben tun, wenn sie einander am Tatort begegnen.
    Tatsächlich war wieder silberfarbenes Isolierband verwendet worden, an die drei Rollen, unzählige Male um den Hals gewickelt. Es war eindeutig derselbe Täter, es sei denn, es hatte ihn jemand perfekt nachgeahmt. Jedoch waren die Details vom Tatort am See nur sehr wenigen bekannt. Irgendwie hatte er es geschafft, Sylvies Kopf tausendfünfhundert Meilen durch das halbe Land nach Hollywood zu schaffen, ohne damit aufzufallen. Gott allein wusste, welch unseligem Geschöpf dieser Körper gehörte; auf alle Fälle war sie sehr jung, möglicherweise magersüchtig und nicht viel größer als eins fünfzig, sehr klein und schmal, wie Sylvie es gewesen war. Welche Person versuchte der Täter da wohl wieder und wieder umzubringen, und warum tauschte er die Köpfe? Wenn ich das wüsste, hätte ich ihn sicher längst identifiziert.
    Dann sah ich mir die Leiche genauer an und ging auch, indem ich mich nach unten beugte, dicht an den Kopf heran, an die toten, in die Kamera starrenden Augen. Ich war heilfroh, dass Black nicht hier war und ihm dieser Anblick von Sylivies finaler Demütigung erspart blieb. Wenn ich nicht genau Bescheid gewusst hätte, hätte ich geglaubt, dass dieser Kopf und dieser Körper wirklich zusammengehörten. Wir hatten es hier definitiv mit einem Serientäter zu tun, jemandem mit Talent und Sinn für Dramatik, und wenn mich meine Vermutung nicht täuschte, hatte er bereits viele, viele Male zugeschlagen, bis wir ihm mehr oder weniger zufällig auf die Schliche gekommen waren.
    Tate kam an die Leiche heran und ging in die Knie, um den Hals des Opfers zu inspizieren. »Und du meinst, wenn sie das Klebeband entfernen, stellt sich heraus, dass dieser Körper nicht der von Sylvie Border ist?« Tate stand wieder auf und schaute, die Fäuste in die Hüften gestemmt, auf das Bett. »Warum zum Teufel macht

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