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Der stille Schrei der Toten

Der stille Schrei der Toten

Titel: Der stille Schrei der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Ladd
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Blage hatte ein gutes Gefühl in Bezug auf diese jüngste Errungenschaft. Ihre kleine Familie wuchs rasant. Nun gab es auch einen Bruder.
    Am nächsten Tag verbrannte Blage einige Teile des jungen Mannes und meldete sich zur Arbeit im Beerdigungsinstitut.
    Sechs Monate später ermordete Blage die Frau des jungen Mannes. Sie brachte ihre Tochter an jedem Morgen im Auto zur Schule, kehrte dann nach Hause zurück und verbrachte den ganzen Tag allein in dem kleinen weißen Haus mit der Schaukel auf der Veranda. Blage beobachtete sie einen Monat lang täglich über einen vielbefahrenen Highway hinweg, vom Parkplatz eines McDonald-Restaurants aus. Eines Tages dann, als es in Strömen goss und die Menschen mit Regenschirmen oder einer Zeitung über dem Kopf schnellstmöglich ins Trockene rannten, lief Blage in den Garten hinter dem Haus der Frau. Es war nicht abgesperrt hinten, und als Blage hineinkam, war alles still, nur ein Radio spielte. Der heiße Fluss schwoll an, immer höher und höher, und Blage konnte es regelrecht hören, wie die Mutter und die Schwester und der Bruder sagten: »Sie ist genau die Richtige, ganz genau, töte sie, töte sie, wir wollen sie in der Familie haben.«
    Die Frau lag in der Badewanne, ließ es sich dort einfach nur gutgehen, während Blage sich auf Zehenspitzen von hinten anschlich und ihren Kopf unter Wasser drückte, bis sie aufhörte, um sich zu schlagen und überall Wasser zu verspritzen. Auf dem Wannenrand lag ein Rasierer, und Blage hielt ihre Hände unter Wasser, damit kein Blut umherspritzen würde, nahm die scharfe Klinge und schnitt so tief in ihr Handgelenk, dass die Hand nach unten klappte. Das Wasser färbte sich schnell rot und sah aus wie der Feuerstrom in Blages Innerem. Blage sah eine Weile fasziniert zu. Als jemand über den Vordereingang hereinkam und den Namen der Frau rief, geriet Blage in Panik und floh durch die Hintertür in den strömenden Regen. Er fürchtete, erwischt zu werden, und fuhr eilends zum Wohnwagen zurück. Die anderen waren enttäuscht darüber, dass Blage keinen neuen Freund mitgebracht hatte, aber sie hatten Verständnis für Blage und verziehen ihm. Es gab so viele andere da draußen, die nur darauf warteten, dass Blage sie zu ihren Freunden machte.
    Blage war achtzehn Jahre alt.

24
    Nachdem Bud Cedar Bend mit meinem Abzeichen und meiner Waffe verlassen hatte, beschloss Nicholas Black sehr bald, mich alleine zu lassen. Vielleicht zog ich mich aus dem Grund unmittelbar darauf in ein großes, ruhiges Gästezimmer am hinteren Ende des Gebäudetrakts zurück, so weit entfernt von ihm wie nur möglich, und schloss die Tür. Er war wirklich äußerst taktvoll. Tatsächlich hatte ich ein ungutes Gefühl bei dem Gedanken, mich in meinem gegenwärtigen Zustand in seiner Nähe aufzuhalten. Ich hatte mich schon öfter wie am Boden zerstört gefühlt, und ich wusste, was mir jetzt guttat, nämlich mich in ein dunkles Loch zu verkriechen und meine Wunden zu lecken.
    Es knisterte nach wie vor zwischen mir und Black, aber es würde sich garantiert kein Flächenbrand daraus entwickeln. Vielleicht ein andermal, an einem anderen Ort. Aber hier und jetzt, mitten in einer Mordermittlung mit ihm als Verdächtigem und mir als Polizistin war dadurch nur alles komplizierter geworden, und ich hatte den Fall zunächst verloren.
    Ich legte mich ins Bett und starrte lange an die Decke. Ich dachte an meinen toten Mann und an meinen toten Sohn, die tote Frau, die an jenem entsetzlichen Abend starb, als sie als Babysitterin bei meinem Sohn war, meine tote Freundin Freida Brandenberg und viele andere tote Menschen. Ich wünschte mir, ich wäre auch tot; so lange jedenfalls, bis ich diese morbiden Grübeleien nicht mehr ertrug und aus dem Bett sprang. Ich dachte, ich hätte gelernt damit umzugehen, aber dieses Mal war es anders. Dieses Mal konnte ich es nicht unterdrücken. Schlimmer noch, ich konnte nicht ablassen von der Wut, die sich zu einem harten, festen Knoten in meiner Brust verfestigte und mich von innen her förmlich auffraß.
    Ich nahm eine ausgiebige heiße Dusche, so heiß, dass meine Haut danach runzelig und rot war. Als ich zurück ins Schlafzimmer kam, stapelten sich zahlreiche schwarze Hochglanzkartons auf meinem Bett, alle mit einer Goldprägung des Cedar-Bend-Logos auf dem Deckel. Sie enthielten Sachen zum Anziehen für mindestens einen Monat, alles in meiner Größe, darunter ein rotes Seidennachthemd mit passendem Morgenrock. Irgendwie machte mich das

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