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Der stille Schrei der Toten

Der stille Schrei der Toten

Titel: Der stille Schrei der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Ladd
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darüber zu reden.«
    Die Wut in mir ballte sich immer dichter zusammen. Wie ich dieses Gefühl hasste. Warum haute ich nicht einfach ab und ging zurück auf mein Zimmer? Oder warum rannte ich nicht einfach schleunigst nach Hause? Vielleicht sollte ich wirklich anfangen zu reden. Vielleicht ginge es mir dann besser, und das wie Magma glühende Feuer unter meinem Brustbein würde erlöschen.
    »Okay, was würdest du denn gerne zuerst hören über die schlimmste Nacht meines Lebens? Würdest du gern hören, wie mein Exmann aussah, nachdem meine 9 mm ihm ein Loch durch die Brust geballert hatten? Oder würdest du gern hören, wie die Babysitterin aussah, nachdem mein Mann sie mit einem Baseballschläger zu Tode geprügelt und im Anschluss daran mein Kind entführt hat?«
    Black saß reglos da, und keiner von uns wandte den Blick ab, als sich mein Ton unwillkürlich zu einem Flüstern senkte. »Oder wie Harve aussah, im Cedars-Sinai-Hospital, an all diese Röhren und Monitore angeschlossen und mit einer Kugel im Rückgrat? Oder, am allerschlimmsten, wie Zackie, mein kleiner Junge –«
    Ich konnte nicht mehr weiterreden, nicht über meinen Sohn; ich spürte, wie meine Arme und Beine zu zittern anfingen. Mir war regelrecht übel, und ich schloss die Augen und schlang die Arme um die Schultern, während die Wut in mir verebbte. Ich versuchte, den Schmerz zu begreifen, der mich jedes Mal, ob bei Tag oder bei Nacht, überkam, wenn ich daran dachte, wie das kleine, winzige Bündel in meinen Armen lag und wie sein Blut auf dem Weg ins Krankenhaus meine Uniform durchtränkte, während seine großen blauen Augen zu mir hochstarrten, verletzt und durcheinander, bis sie für immer verloschen.
    Ich spürte Blacks Hand auf meinem Rücken und erstarrte unwillkürlich.
    »Bitte, Claire, ich will dir dabei helfen, das zu verarbeiten.«
    »Du wirst mich niemals weinen sehen.« Ich wusste nicht, warum ich das permanent wiederholte, aber es half mir, mich unter Kontrolle zu halten und die Tränen zu unterdrücken. »Nichts bringt mich jemals wieder zum Weinen.« Ich zitterte am ganzen Körper und mir war kalt; die Wut war weg, aber auch meine Energie und sogar der Schmerz. »Ich bin einfach müde, das ist alles, ich will nicht immer von Neuem daran denken müssen. Kannst du mir helfen, nicht mehr daran denken zu müssen? Diese Art Hilfe würde ich brauchen.«
    Er zog mich in seine Arme, und er fühlte sich stark und kräftig an, wie ein Ruhepol, in dem man aufgehen möchte. Ich legte die Arme um seine Taille und schmiegte meine Wange an seine Brust; dann hielt ich ihn fest umschlungen, denn ich brauchte jemanden, an dem ich mich nur für eine Weile festklammern konnte. Er streichelte mir übers Haar, nahm mein Gesicht hoch und drückte seine Lippen zögernd sanft auf meinen Mund. Meine Arme umschlangen seinen Hals, und wir küssten uns und ließen unseren Gefühlen freien Lauf. Dann meldeten sich die schlimmen Erinnerungen in meinem Kopf zurück, und ich wandte mich ab.
    Er ließ mich sofort los und trat einen Schritt zurück, um mir Platz zu geben. Währenddessen hielt ich meine Handflächen weiter gegen seine Brust gepresst, und hielt so den Kontakt zu seinem Körper aufrecht. »Ich kann einfach nicht«, sagte ich. »Menschen, die mich lieben, müssen teuer dafür bezahlen. Ich bin gefährlich … Das solltest du wissen.«
    »Nun ist es schon zu spät«, sagte er.
    Wir sahen uns tief in die Augen, und dann schmiegte ich mich wieder in seine Arme. Danach dachte keiner von uns an etwas anderes als an die nackte Haut unter unseren Händen und Mündern, und die ganze Zeit über, in der wir uns liebten, klammerte ich mich an ihm fest, als wäre er meine letzte Rettung.
    Als wir dann später in seinem Bett lagen, schlief Black friedlich, seine Arme locker um mich geschlungen. Ich lag wach, besorgt, aber auch glücklich. Unsere Beziehung war an diesem Abend noch komplizierter geworden, aber ich hatte mich ihm auf eine Weise geöffnet wie noch nie jemandem zuvor, und es ging mir erstaunlich gut dabei. Der Knoten in meiner Brust hatte sich etwas gelockert, und als Black sich im Schlaf umdrehte und mich näher an sich heranzog, schloss ich die Augen und kuschelte mich an seine nackte Brust. Vielleicht konnte er mir ja wirklich helfen, mit mir selbst ins Reine zu kommen. Vielleicht würde ich ihm morgen von dem schrecklichen Albtraum erzählen, der mein Leben war.

25
    Als ich am nächsten Morgen aufwachte, saß Black komplett angezogen neben mir

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