Der stille Schrei der Toten
meine Familie wissen wollte. Bei dem Gedanken, in ein Thema einzutauchen, über das ich noch nie gesprochen hatte, nicht einmal mit Harve, wurde mir ganz anders. Es fiel mir schwer, aber schließlich sagte ich: »Ein Bruder. Keine Schwestern.«
»Und der Name des Bruders?«
»Thomas.«
»Wo lebt er?«
»Weiß ich nicht. Als ich klein war, hat mich meine Mutter eingepackt und die Familie verlassen.«
»Wie alt warst du da?«
»Im Kindergartenalter, glaub ich. Fünf, vielleicht auch sechs. Ich kann mich nicht so weit zurück erinnern. Ich habe das vage Bild vor Augen, dass er mich mal auf eine Schaukel gesetzt hat, aber es ist wirklich sehr unscharf. Hätte auch jemand anders sein können.«
»Warum seid ihr weggegangen, du und deine Mutter?«
Ich wand mich in seinen Armen. Mir war jetzt so unwohl, dass ich am liebsten aufgestanden und gegangen wäre. Ich mochte nicht darüber reden. Vermutlich fürchtete ich mich davor, was er von mir halten könnte, wenn er die ganzen schmutzigen Details aus meinem Leben erfuhr. Nimm allen Mut zusammen, sagte ich mir, und sag ihm die Wahrheit, so hässlich sie auch war. Stattdessen brabbelte ich ihm eine Halbwahrheit ins Ohr. »Sie mochte nicht darüber reden, sagte einfach, wir könnten dort nicht länger bleiben, und so würde sie mit mir weggehen.«
»Und deinen Bruder hat sie nicht mitgenommen?«
Ich schüttelte den Kopf. »Sie ließ ihn bei meinem Vater zurück. Warum weiß ich nicht. Ich hab’s nie verstanden, warum er nicht mit uns gekommen ist.«
»Hast du Erinnerungen an deinen Vater?«
»Eigentlich so gut wie keine. Ich glaube, er war Arzt, aber wir waren, meine ich, nicht so lange mit ihm zusammen.«
»Und als du dann älter warst, wie war es dann? Hast du deinen Vater und deinen Bruder jemals wiedergesehen?«
Ich schüttelte den Kopf und hörte meinen eigenen schweren Atem an seinem Hals. Plötzlich hatte ich den Eindruck zu ersticken. Verdammt, ich hatte keine andere Wahl, ich musste da durch, und ich würde es schaffen. Black war anders als die anderen Psychiater, mit denen ich zwangsweise zu tun gehabt hatte, vor allem die Idioten bei der Polizei in Los Angeles. Er würde mir nicht wehtun oder mich in eine Anstalt einweisen. »Ich hab mal gehört, dass beide bei einem Brand ums Leben gekommen seien, aber sicher bin ich mir nicht. Meine Mutter ist bald, nachdem wir sie verlassen hatten, gestorben.«
Ich hatte das ebenso große Bedürfnis aufzuhören wie weiterzumachen. Ich streichelte wieder über Blacks Brust und glitt dann tiefer über seinen flachen Bauch. Black sog hörbar die Luft ein.
»Du hast beide nie mehr wiedergesehen?« Er klang außer Atem, und mir war klar warum. Er hatte sich ganz auf die Situation versteift, also streichelte ich ihn weiter, bereit, das Gespräch zu beenden und mich angenehmeren Dingen zuzuwenden.
»Mh-mh.« Ich kniete mich über ihn und seufzte, als er mit den Händen unter mein grünes Cedar-Bend-T-Shirt glitt und meinen nackten Rücken massierte. Mein Blut geriet in Wallung.
»Wie ging’s dann weiter?«, fragte er, während er sein Becken gegen meines presste.
Ich lächelte und beantwortete seine Frage mit den Lippen an seinem Mund. Ich war atemlos und erregt. »Ich habe eine Zeitlang in Florida gelebt, bei einer Tante und einem Onkel.« Ich nestelte an seiner Unterlippe, bis er meinen Kopf zu einem tieferen Kuss heranzog. »Dann ging ich in Louisiana zur Schule, genau wie du.«
»Du warst in New Orleans auf dem College? Auf dem Tulane College wie ich?«
Ich machte weiter und hatte mein Ziel fast erreicht. »Nein, auf der Louisiana State University in Baton Rouge.«
Ich hörte, wie ihm der Atem stockte, als ich seinen Kopf zurückbog und seinen Hals mit Küssen bedeckte. »Ich weiß, was du vorhast, Lady, und es fühlt sich wunderbar an.«
»Du musst Akademiker sein, so klug wie du bist«, sagte ich, während ich mich rittlings auf ihn setzte und mir dann das T-Shirt auszog. Ich warf es hinter mich, wobei irgendwas vom Tisch gefegt wurde, aber unsere Blicke versanken ineinander, als er meine Taille umfasste.
»Wie wär’s, du beantwortest mir noch eine Frage, ehe wir uns den angenehmeren Dingen des Lebens zuwenden?«, fragte er.
»Okay. Was willst du wissen?«
»Wie wär’s, du durchsuchst mich noch mal? Du weißt schon, mir die Füße unter dem Boden wegkicken und mir obendrein einen Magenschwinger verpassen, wie früher schon mal. Denn das macht mich wirklich an.«
»Es hat dir also besser gefallen, als
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