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Der stille Schrei der Toten

Der stille Schrei der Toten

Titel: Der stille Schrei der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Ladd
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die Augen gelegt.
    Auf Zehenspitzen bewegte sich das Kind in den Flur im oberen Stockwerk hinaus. Tagsüber war es im Haus nicht unheimlich so wie abends, wenn die Kerzen brannten und Schatten über die Wände flackerten wie Finger, die nach etwas griffen, und die Möbel wie gefährliche Monster in Wartestellung geduckt lauerten. Aus dem Keller drang der Klang der Säge des Balsamierers wie ein entfernter Klageton herauf, als würde jemand weinen. Der Vater war also beschäftigt, und man konnte sich gefahrlos aus dem Haus schleichen.
    Draußen im warmen Sonnenschein sog das Kind, das es nicht gewohnt war, allein zu sein, die frische Luft ein. Die Mutter behielt das Kind ständig an ihrer Seite. Es war gegen die Regeln, das Haus zu verlassen. Angst stieg hoch und erschwerte das Atmen, verschwand aber wieder, als süßer Rosenduft heranwehte. Die Mutter liebte Rosen so sehr. Sie wäre glücklich, welche an ihrem Bett zu haben.
    Das Kind rannte los, erreichte den üppig blühenden Rosenstrauch und brach drei Rosen ab, ehe sich ein Auto auf der Straße näherte. Ein schwarzer Leichenwagen bog in die Einfahrt, und das Kind versteckte sich hinter dem dicken Stamm eines Eichbaums ganz in der Nähe, als die Kellertür unterhalb der Veranda geöffnet wurde. Der Vater kam die Treppe herauf, und dem Kind stockte vor Schreck der Atem, als der Balsamierer sich im Hof umsah. Dann rief der Fahrer des Leichenwagens hallo, und der Vater ging ihm über den Backsteinweg entgegen.
    Wenige Minuten später rollten der Balsamierer und der Fahrer des Leichenwagens eine Bahre den Gehweg entlang und verschwanden mit einem toten Körper im Keller. Das Kind saß in der Hocke hinter dem Baum und wartete, bis der Mann den Leichenwagen weggefahren hatte, und rannte dann auf die rückwärtige Veranda zu.
    Im Eiltempo flog das Kind über die Veranda und durch die Küche und erreichte gerade in dem Moment die Vorhalle, als der Balsamierer eintrat. »Glaubst du, ich weiß nicht, was los ist? Du schleichst durch das Haus trotz meiner Verbote. Glaub jetzt bloß nicht, du könntest dich hinter den Röcken deiner Mutter verstecken.«
    Der Balsamierer packte das Kind um die Hüfte und stieg in den Keller hinab. »Du hast meine Regeln absichtlich gebrochen, stimmt’s? Du hast mir im Keller hinterherspioniert. Aber ich kann dir schon zeigen, was ich den ganzen Tag über im Keller mache. Ist auch höchste Zeit, dass du fauler, hässlicher Balg deinen Unterhalt verdienst.«
    Der Balsamierer hatte diese Worte in seinem schrecklichen, bösen Flüsterton gezischelt, und das Kind fürchtete sich. Der Keller war groß und dunkel bis auf zwei fluoreszierend helle Lichtkegel, die zwei lange Metalltische erleuchteten. Auf beiden Balsamiertischen lagen nackte Körper, und aus einem kamen merkwürdige schwarze Schläuche heraus, die in große braune Flaschen mündeten. Es roch furchtbar, wie das Jod, das ihm die Mutter nach einer Bestrafung auf die halbmondförmigen Wunden tupfte. Ein anderer Geruch ging von den toten Körpern aus, ein eigenartiger, unangenehmer Gestank, und die Luft war so kalt, dass das Kind zitterte.
    Der Vater bestand darauf, dass sich das Kind auf den Tisch neben den Körper aus dem schwarzen Leichenwagen setzte. »Ich werde dich lehren, ungehorsam zu sein und das Haus alleine zu verlassen. Du bist genau wie deine Mutter. Böse, von Grund auf böse.« Er strecke den Arm aus und tauchte mit den Fingern in die Pfütze Blut, die sich an einem Ende des schräg geneigten Tisches gesammelt hatte. Er verschmierte es auf dem Gesicht des Kindes. »Du hast nun das Blut von diesem toten Mann an dir, du undankbarer Balg. Bleib bloß sitzen. Und wehe, du fängst an zu heulen. Ist das klar? Du weißt, was passiert, wenn du heulst. Nun mach schon, heul wie ein kleines Baby.«
    Das Kind rührte sich keinen Zentimeter, als der Balsamierer sein Werk an der Leiche begann; es weinte nicht, als das Skalpell die Adern öffnete und das Blut herauszusickern begann.
    Das Kind war sieben Jahre alt.

5
    Ich versichere Ihnen, dass ich nichts, aber auch gar nichts zu verbergen habe. Ebenso wie Dr. Black«, sagte Miki Tudor abwehrend. Sie sah aus wie Grace Kelly. Ihr zurückgebundenes aschblondes Haar wurde von einer geschmackvollen Schild-pattklemme gehalten. Als Schmuck trug sie dezente Perlohrstecker und dazu passend eine Halskette mit größeren Perlen, und zwar echten, teuren, soweit ich das beurteilen konnte. Allerdings könnte ich in Wirklichkeit eine echte Perle nicht

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