Der stille Schrei der Toten
Vielleicht wissen die ja etwas über irgendwelche Stalker oder fanatische Fans. Und ich sollte wohl am besten zu Sylvies Beerdigung nach New Orleans fahren. Ich hätte gern eine Genehmigung, das New Orleans Police Department zu bitten, die Trauerfeierlichkeiten zu filmen. Vielleicht ertappen wir den Killer ja dabei, wie er sein Werk bewundert. Ich werde den Verdacht nicht los, dass er so ein Typ ist. Ich will auch ihre Familie und ihre Freunde befragen, vor allem Gil Serna, sollte er auftauchen.«
Charlie schüttelte den Kopf. »Da geht mir das Reisekostenbudget für ein ganzes Jahr flöten.« Er ließ sich die Strategie durch den Kopf gehen, während er seine schwarze Pfeife mit einem Tabak stopfte, der nicht einmal so übel roch. Der Sheriff selbst war vom Rauchverbot auf Polizeiwachen ausgenommen. Das war für niemanden ein Thema; wer rauchen wollte, rauchte brav draußen vor der Tür. »Okay, aber dass ihr mir nicht im Ritz absteigt. Und wählt einen günstigen Flugtarif, verdammt.«
Kaum waren sie draußen auf dem Flur vor Charlies Büro, sagte Bud: »New York, ich komme. Treff mich dort mit einer hübschen Lady und leg mir ein paar Maßanzüge zu.«
»Leg du dir lieber genügend Hinweise zu, dass Black unschuldig ist, oder aber Charlie verliert den wichtigsten Geldgeber für seine Wahlkampagnen.«
»Vielleicht schaff ich es ja sogar, ein Ticket für eine Broadway-Produktion zu bekommen.«
»Nach allem, was ich höre, kannst du dir auf dem Broadway so allerhand einhandeln.«
Bud lachte, während wir uns innerlich auf die Reporter vor dem Eingang einstellten. Er sagte: »Dasselbe gilt für die Kaschemmen im French Quarter von New Orleans. Kein Glas Wasser würde ich da trinken.«
Sylvie Borders Familie würde bis zur Planung der Beerdigung erst einmal die Freigabe der Leiche abwarten müssen, und solange Buckeye nicht alle erforderlichen Blut- und Gewebeproben entnommen hatte, war damit nicht zu rechnen. Von Black wollte ich mir auch eine Haar- und eine Speichelprobe sichern, nur für den Fall des Falles, ehe er seine Anwälte in Stellung brachte und die Kooperation verweigerte. Es war schon fast sieben Uhr, aber ich wollte nicht warten, Black mit den Fakten zu konfrontieren.
Mein Explorer stand direkt vor der Wache, und die Reporter bestürmten mich scharenweise, als ich einsteigen wollte. Ich winkte Bud hinterher, als er losfuhr, um seine Sachen für den Trip nach New York zu packen. Er spreizte die Finger zum Siegeszeichen, aber ich hatte kein besonders gutes Gefühl in Bezug auf mein Vorhaben, als ich mein Handy aus der Tasche zog. Die auf weißem Leinenpapier gedruckte Visitenkarte mit Blacks Handynummer steckte noch immer an meiner Sonnenblende. Ich wählte die Nummer und wartete, neugierig darauf, ob er tatsächlich rund um die Uhr unter dieser Nummer erreichbar war.
»Ja bitte.« Seine tiefe markante Stimme erkannte ich sofort wieder.
»Dr. Black, hier ist Detective Morgan.«
»Hallo, Detective. Was kann ich für Sie tun?«
Ich zögerte. »Ich muss Sie dringend sprechend. Möglichst noch heute Abend.«
»Kann es nicht bis morgen warten?«
»Nein, mir wäre heute Abend lieber. Es dauert wirklich nicht lange.«
»Okay. Kommen Sie in mein Büro. Miki wird Sie dann zu mir bringen.«
Ich klappte das Telefon ein und stellte fest, dass mir das bevorstehende Gespräch Bauchschmerzen bereitete. Die Obduktionsunterlagen lagen bereits griffbereit auf dem Beifahrersitz. Ich musste ihn mit den abscheulichen Fotos konfrontieren, war aber längst nicht so abgebrüht, als dass es mir nicht davor gegraust hätte.
Zwanzig Minuten später gingen Miki und ich zu dem Steg hinunter, der zum Hubschrauberlandeplatz hinausführte. Mein Ziel war Blacks maßgeschneiderte Yacht, aber sie lag irgendwo draußen auf dem See vor Anker. Aus dem Grund wurde ich bereits von einem dieser todschicken Motorboote des Typs Cobalt 360 erwartet, am Steuer ein junger, gut aussehender Typ in schwarz-brauner Uniform, der den Motor im Leerlauf aufheulen ließ.
»Nick gibt heute Abend eine Dinnerparty auf der Yacht. Sie haben schon gegen vier Uhr abgelegt, aber Tyler bringt Sie mit dem Boot raus.« Miki gab sich heute ganz geschäftsmäßig. Kein einziger arroganter Blick, der mir meine Unterlegenheit demonstrieren sollte. Sie wandte sich um und stöckelte auf ihren turmhohen Absätzen davon. Ich blickte ihr hinterher, um zu sehen, ob sie nicht mit ihren Stilettos in einer der Ritzen des Stegs hängen blieb. Natürlich passierte ihr
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