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Der stille Schrei der Toten

Der stille Schrei der Toten

Titel: Der stille Schrei der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Ladd
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sich an das kindliche Geschnatter und waren schließlich sogar dazu bereit, Blage die interessantesten Geschichten zu erzählen. Das Kind erfand Lieder, die es ihnen vorsang, und manchmal nahm es sie auch bei der Hand und versuchte, sie zu einem Tänzchen zu bewegen.
    Wenn eine neue Leiche eintraf, wurde sie wie ein neuer Freund empfangen, und es war immer so traurig, wenn eine fort zur Beerdigung musste. Aber die Mutter blieb da, und das Kind wich selten von ihrer Seite. Der Vater war sehr zufrieden und sagte, das Kind sei jetzt ein gutes Kind und habe gelernt, sich an die Regeln zu halten.
    Eines Abends dann kam der Vater in den Kühlraum, als das Kind eine imaginäre Teeparty mit seiner Mutter und deren Freunden abhielt. Der Vater lächelte, und das Kind dachte, er sähe merkwürdig und anders als sonst aus. Sein Atem roch nach dem Whiskey, von dem stets eine Flasche auf dem Nachttisch stand.
    »Komm, wir gehen zusammen schlafen, Blage. Ich fühle mich einsam ohne deine Mutter.«
    Das Kind wich zurück und versteckte sich unter dem Liegebett der Mutter. Der Vater kniete sich auf einem Bein nieder, zog Blage unter dem Bett hervor und sagte ernst: »Wenn du nicht gehorchst, verbrenne ich deine Mutter draußen im Wald an einem dir unbekannten Ort, sodass du sie nie mehr wiedersehen wirst.«
    Vor Schreck darüber, die Mutter womöglich ganz zu verlieren, nahm Blage die Hand des Balsamierers und folgte ihm in das Schlafzimmer oben im Erkerturm. Der Vater zog sich selbst und das Kind aus und schlüpfte mit dem Kind unter die Decke. Als sich das Kind erwärmt hatte, fing er an, seinen Körper zu berühren und Sachen zu machen, die wehtaten. Blage litt darunter, und als der Vater sich zur Seite rollte und still dalag, glitt es unter der Decke hervor. Der Vater bewegte sich und sagte schläfrig: »Wenn du runtergehst, um deine Mutter zu besuchen, vergiss nicht, deinen Mantel und die Mütze anzuziehen.«
    Das Kind schlich sich zurück in den Keller, während es die Stellen festhielt, die davon wehtaten, was der Vater gemacht hatte. Blage nahm Jacke, Mütze und Handschuhe vom Haken und zog die Sachen an. Dann erzählte es der Mutter und den anderen, was im Bett geschehen war. Sie waren alle einhellig der Meinung, dass der Vater ein schlechter Mann war und bestraft werden sollte. Die Mutter sagte, der Vater habe es verdient, dafür zu sterben, was er dem Kind angetan hatte. Das Kind nickte und schmiegte sich an sie, zitternd vor Kälte und nun auch vor Hass.
    Das Kind war neun Jahre alt.

10
    Himmel Herrgott noch mal, was kommt denn noch alles auf uns zu?«
    Ich betrachtete Charlies Frage als rhetorisch und ging nicht weiter darauf ein. Die Lage war wirklich alles andere als einfach, und wir schlitterten von einer Katastrophe zur nächsten. Bud schien es auch so zu empfinden, denn er kaute nur auf seinem Kaugummi, sagte aber kein Wort.
    »Der Kopf machte sich selbstständig? Einfach so? Während der Obduktion?«, sagte Charlie wie von den Socken. Natürlich war er fassungslos. Ich war es ja auch.
    »Zum Glück hat ihn Buckeye rechtzeitig zu fassen bekommen.«
    »Ja, Bud. Buck sei Dank.« Charlie hatte seinen Sarkasmus nicht verloren. »Okay, Claire, wie soll es jetzt weitergehen?«
    Diese Frage hatte ich nicht direkt erwartet, war aber darauf vorbereitet. »Kann sein, dass ich Black noch einmal vernehme und ihm Bilder von der Obduktion zeige, um zu sehen, wie er reagiert. Sie sind so schrecklich, dass er nicht in der Lage sein dürfte, zu tricksen, falls er schuldig ist. Er sagt, er stehe jederzeit zur Verfügung. Wenn er unschuldig ist, würde ich ihn gern von der Liste der Verdächtigen streichen.«
    Charlie sah zu Bud. »Und was ist mit Ihnen?«
    »Ich fliege höchstwahrscheinlich nach New York, um mich mit Blacks Exfrau zu unterhalten.«
    »Dem Model?«
    »Genau. Eine unangenehme Aufgabe, aber einer muss sich ja drum kümmern.«
    »Sie kommen sich wohl sehr komisch vor, Davis?«, fragte Charlie. »Was meinen Sie, Claire?«
    Charlie fixierte mich, während Bud hinter ihm die Hände wie zum Gebet faltete und mit den Lippen ein »Bitte« andeutete. Wir kamen tatsächlich nicht darum herum, aus dem Mund dieser Frau zu erfahren, ob Black in der Tatnacht überhaupt und wenn ja zu welchem Zeitpunkt bei ihr gewesen war und wie er sich dabei verhalten hatte. »Ich bin durchaus der Meinung, dass ihre Aussage dazu beitragen könnte, Black zu entlasten. Außerdem muss jemand Sylvies Kollegen im Umfeld dieser Soap-Produktion befragen.

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